Protest gegen die Aufhebung von Roe v. Wade.

Foto: AP / Mariam Zuhaib

Ende Juni kippte der Oberste Gerichtshof der USA das landesweite Recht auf Abtreibungen, ein Urteil, auf das konservativ regierte Bundesstaaten umgehend mit strikten Verbotsgesetzen reagierten – und somit die Selbstbestimmung von Frauen einschränkten. Tech-Konzerne wie Google und Facebook kündigten einerseits an, die Reisekosten Angestellter zu übernehmen, falls diese für eine Abtreibung in andere Bundesstaaten fahren müssen. Andererseits zeigen sie sich weiterhin sehr zurückhaltend, was öffentliche Stellungnahmen zur Entscheidung des Supreme Court angeht. Eine Tatsache, die laut "The Verge" für Unmut in der Belegschaft sorgt.

So kritisierte die Google-Gewerkschaft Alphabet Workers Union das Unternehmen für die Ankündigung, Vollzeitangestellten zwar beim Umzug in liberale Bundesstaaten helfen zu wollen – aber auf der anderen Seite weiterhin an Politiker zu spenden, die sich gegen das Recht auf Abtreibungen einsetzen. Darüber hinaus würden dabei zehntausende Zeitarbeiter und Zulieferer auf der Strecke bleiben, diese würden häufiger in Staaten mit beschränkten Abtreibungsrechten leben, eher Menschen sein, die schwanger werden könnten, und schlecht bezahlt werden.

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Damit ist Google jedoch nicht allein. Laut einem Bericht von "Popular Information" spendeten unter anderem Uber, Mastercard, der Dating-Riese Match Group und das Telekomunternehmen AT&T hohe Geldbeträge an die konservative Gruppierung Republican Attorneys General Association, die für die Aufhebung des landesweiten Abtreibungsrechts – weithin bekannt als Roe v. Wade – kämpfte.

Dem gegenüber steht insbesondere bei jüngeren Menschen zunehmend der Wunsch, dass ihre Arbeitgeber zu politischen und gesellschaftlichen Themen Stellung nehmen. Laut einer Untersuchung von Perceptyx fühlen sich "fast drei Viertel der Arbeitnehmer" durch von ihrem Arbeitgeber vertretene Werte motiviert. Darüber hinaus würden sich "mehr als dreimal so viele Arbeitnehmer unter 45 Jahren" wünschen, "dass ihr Arbeitgeber diese Werte in politischen Fragen öffentlich vertritt".

Jedoch eröffnen Tech-Konzerne wie Apple und Google zunehmend Standorte außerhalb des kalifornischen Silicon Valley, wie "The Verge" berichtet. So zum Beispiel Apple in Texas, Amazon in Virginia, Google in North Carolina und Microsoft in Florida – also in konservativ regierten Bundesstaaten, in denen ein Abtreibungsverbot entweder droht oder bereits durchgesetzt wurde. Laut den Berichterstattern müssten Unternehmen deshalb politische Folgen für öffentliche Stellungnahmen befürchten.

Kritische Datensammlung

Google und Co geraten darüber hinaus wegen ihrer Praxis der ausgiebigen Datensammelei ins Visier von Grundrechtsorganisationen. Zum Beispiel befürchtet die Electronic Frontiers Foundation (EFF), dass Polizeibehörden Standortdaten von Userinnen und Usern anfordern könnten, um herauszufinden, ob sich diese in der Nähe einer Abtreibungsklinik befanden, berichtete DER STANDARD. Selbst Google-Suchen seien laut EFF-Expertin Eva Galperin in der Vergangenheit dafür verwendet worden, um Schwangerschaftsabbrüche zu kriminalisieren. Sie habe außerdem die Sorge, "dass die Regierung gezielt nach Personen sucht, die die Grenze zu anderen Bundesstaaten überqueren, um dort eine Abtreibungsklinik zu besuchen", sagte sie im STANDARD-Interview.

Im Fokus der Kritik von Datenschützerinnen und Datenschützern befinden sich außerdem Apps zum Tracking der Periode, da diese auch das Ausbleiben von ebendieser aufzeichnen. Aufgrund der neuen Rechtslage in den USA besteht nun die Gefahr, dass diese sensiblen Daten an Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden könnten.

Gelöschte Postings

Facebook-Chef Mark Zuckerberg soll in einem internen Meeting – dessen Protokoll der Nachrichtenplattform "Cyberscoop" vorliegt – gesagt haben, dass User, die über Abtreibung sprechen, dank Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt seien. Derzeit muss die Verschlüsselung für Facebook-Chats manuell aktiviert werden. Im Laufe des kommenden Jahres soll sie standardmäßig zum Einsatz kommen. Inwiefern verschlüsselte Chats betroffene Personen vor der Datensammlung für das Werbegeschäft schützen würden, habe Zuckerberg laut den Berichterstattern jedoch nicht erläutert.

Seit Inkrafttreten des Supreme-Court-Urteils fiel Facebook schon mehrmals negativ auf. So wurden der Belegschaft interne Diskussionen zum Thema verboten. Wenig später wurde bekannt, dass zahlreiche Facebook- und Instagram-Postings gelöscht wurden, in denen es um Abtreibungspillen ging. Gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press sprach das Unternehmen von einem "Versehen". (mick, 1.7.2022)