Barocker Dichter (Wojo van Brouwer, re.) im Clinch mit einem Haudrauf (Emanuel Fellmer als Marquis d‘Orsini): Das Auge des Erzbischofs (Birgit Stöger, li.) wacht scheel.

Foto: Sophie Wiegele

Es lässt sich schwerlich verheimlichen: Die "Troupe du Roy", das vielköpfige Lieblingsspielzeug des Sonnenkönigs Louis-quatorze, hat schon bessere Zeiten gesehen. Angeleitet wird das unvorteilhaft kostümierte Häufchen – das wohl aus Einsparungsgründen auch für seine eigene Musikbegleitung zuständig ist – von Molière höchstpersönlich (Wojo van Brouwer).

Der Welt größter Komödiendichter hat sich recht genau 400 Jahre nach seiner Geburt ausgerechnet nach Perchtoldsdorf aufgemacht. Mit Michail Bulgakows beziehungsreicher Hommage Molière oder Der Heiligenschein der Scheinheiligen beschließt Regisseur Michael Sturminger seine neun Jahre währende Ära als Sommerspielleiter im Süden von Wien. Und für ein Vexierspiel über Macht und Ohnmacht lässt sich bestimmt keine trefflichere Vorlage denken. Denn bläst man den Staub von den Perücken, zieht man die Schönheitspflästerchen von den Barockgesichtern ab, bleibt die Kümmernis der Kunst am Gängelband übrig.

Den Dichter Bulgakow (1891–1940) verband mit dem Diktator Josef Stalin ein höchst merkwürdiges Wechselverhältnis. Eine Hassliebe mit Spiegelreflexen; ein Sadomaso-Spiel von Bitten, Betteln und Gewähren, das, trotz einiger Umschweife und natürlich ohne Chance auf Entrinnen, zu Bulgakows Untergang führte. Wer möchte, darf natürlich heute auch an Präsident Wladimir Putin und dessen singende, klingende Speichellecker denken.

Innen und Außen

Merkwürdigerweise legt man das komödiantische Duett-Duell von Herr und Knecht vor der Kulisse der Perchtoldsdorfer Burg als eine Art Requiem an, als Schreittanz von der erklecklichen Länge einer Philip-Glass-Oper. Am schnellsten dreht sich noch die Bühne (Ausstattung: Marie und Paul Sturminger). Das Verhältnis von Innen und Außen, von Privatheit und Repräsentation, wird hingegen als Schnecken-Rallye beschrieben.

Man spricht, beim König (Michou Friesz) zur Audienz geladen, auch nicht viel anders als beim Tete-à-tete mit der Geliebten (Hannah Rang mit einer wunderbar widerborstigen Leistung in der Rolle der Armande Béjart). Molière, ein gemütvoller Langeweiler, kiefelt mit dem "Roi" sogar zusammen Hühnerbeine. Leider Gottes hält sich hartnäckig das Gerücht, er, Molière, sei der eigenen Tochter amourös zugetan. Und während sich das Rad der Geschichte unablässig dreht – hier: eine Holz-Rotunde mit unvermeidlichem Theaterlappen –, bietet sich an diesem viel zu langen Abend die Möglichkeit für ein paar unfassbar bräsige Karikaturen auf den (damaligen?) Klerus.

Ein Erzbischof (Birgit Stöger), der aus lauter Demut eine kleine Kür in Sachen Bodenturnen vollbringt: Die satirische Kirchenkritik hat ohne jeden Zweifel schon luzidere, auch säurehaltigere Zeiten erlebt. Was vielleicht insgesamt für das Sommertheater in Perchtoldsdorf gilt. Dabei sollten die Stadtväter und -mütter den Zusammenhang von Aufwand und (künstlerischem) Ertrag womöglich neu überdenken. (Ronald Pohl, 1.7.2022)