Foto: Deutsche Welle

Ankara/Berlin – Die türkische Aufsichtsbehörde für den Rundfunk (RTÜK) hat das Online-Programm der Sender Deutsche Welle und Voice of America in der Türkei gesperrt. "Der Zugang zum türkischsprachigen Dienst der Deutschen Welle, DW Turkce, und Voice of America, die keine Genehmigungen beantragt haben, wurde auf Antrag des RTÜK-Vorstands vom Strafgerichtshof in Ankara blockiert", teilte Ilhan Tasci, Mitgleid von RTÜK, am Donnerstag auf Twitter mit.

Im Februar hatten die Deutsche Welle und Voice of America (VOA) erklärt, dass sie keine Lizenzen in der Türkei beantragen würden. Diese waren von der RTÜK unter dem Medienregulierungsgesetz des Landes gefordert worden. Die Deutsche Welle hatte daraufhin angekündigt, gerichtlich dagegen vorzugehen.

Oppositionskritik

Tasci, der auch Abgeordneter der größten Oppositionspartei ist, kritisierte den Schritt des Obersten Rundfunk- und Fernsehrates: "Hier ist unsere Pressefreiheit und die moderne Demokratie!" Die Türkei hat in den vergangenen Jahren die Medienaufsicht verschärft, indem sie der RTÜK eine weitreichende Aufsicht über alle Online-Inhalte gab, die sie auch entfernen kann. Etwa 90 Prozent der Mainstream-Medien in der Türkei befinden sich heute in staatlichem Besitz oder stehen der Regierung nahe.

Die Deutsche Welle bestätigte die Sperre später. Die Angebote seien am Donnerstagabend in allen 32 Sendesprachen gesperrt worden, teilte der deutsche Auslandssender am Freitag in Bonn mit. DW kündigte an, juristisch gegen die Sperre vorzugehen. In den Sozialen Medien könnten sich Nutzer informieren, wie eine Zensur umgangen werden kann.

Zensur

Die türkische Kontrollbehörde hatte von ausländischen Sendern schon vor Monaten verlangt, eine Lizenz für Internet-Angebote zu beantragen. Die Deutsche Welle teilte dazu mit: "Dem war die DW nicht nachgekommen, weil eine Lizenzierung die Zensur von redaktionellen Inhalten durch die türkische Regierung ermöglicht hätte." Intendant Peter Limbourg sagte, dies sei dem Chef der Behörde auch persönlich erläutert worden. Beispielsweise seien lizenzierte Medien zur Löschung von Online-Inhalten verpflichtet, die die RTÜK für unangemessen erachte. "Das ist für einen unabhängigen Medienanbieter schlicht inakzeptabel."

Die Aufforderung zur Lizenzbeantragung beruht auf einer 2019 in Kraft getretenen Regelung. Die islamisch-konservative Regierung der Türkei hat darüber eine weitreichende Kontrolle von Internet-Plattformen eingeführt, die Filme, Videos oder Radioinhalte verbreiten. Türkische Medien stehen zum Großteil unter direkter oder indirekter Kontrolle der islamisch-konservativen Regierung, auch Inhalte im Internet unterliegen starker Regulierung. Regierungsnahe Vertreter haben eine Mehrheit in dem RTÜK-Gremium.

Angriffe auf unabhängige Medien

Medienverbände in Deutschland kritisierten die Sperre des Internet-Angebots der Deutschen Welle in der Türkei. Damit scheine die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ihre "ständigen Angriffe auf unabhängige Medien im Land" nun auch auf ausländische Medien ausweiten zu wollen, sagte der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Inzwischen stehe die Medienlandschaft in der Türkei zu fast 90 Prozent unter Kontrolle der Regierung oder regierungsnaher Geschäftsleute. Der Journalistenverband DJV forderte die deutsche Regierung auf, sich für eine Aufhebung der Sperre einzusetzen. "Die Sperre der Deutschen Welle ist durch nichts anderes zu rechtfertigen als durch pure Willkür der Erdogan-Autokratie", kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.

Auch die deutsche Regierung schloss sich der Kritik an. Man nehme die Entscheidung "mit Bedauern zur Kenntnis", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Die Sorge über die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei bestehe fort, Deutschland werde sich weiterhin für einen "unabhängigen faktenbasierten Journalismus" in der Türkei einsetzen, sagte Hebestreit. (APA, dpa, 1.7.2022)