Die Schlangeninsel.

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Die Ukraine hat der russischen Armee vorgeworfen, die Schlangeninsel im Schwarzen Meer mit Phosphorbomben angegriffen zu haben. Moskaus Truppen hätten am Freitagabend gegen 18 Uhr mittels SU-30-Fliegern "zweimal einen Luftangriff mit Phosphorbomben ausgeführt", schrieb der ukrainische Armeechef Walerij Saluschny auf Telegram.

Phosphorwaffen sind völkerrechtlich nicht explizit verboten; allerdings ist ihr Einsatz laut einer Waffenkonvention von 1980 gegen Zivilisten und in städtischen Gebieten geächtet. Sie können schwerste Verbrennungen sowie Vergiftungen verursachen.

Die Schlangeninsel gilt als ein strategisch wichtiger Posten zur Überwachung der Seewege im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Russland hatte versucht, auf der Insel Raketen- und Luftabwehrsysteme zu installieren – am Donnerstag aber zog sie sich dann von der Insel zurück. Die russische Armee sprach von einer "Geste guten Willens", die Ukraine dagegen von einem wichtigen militärischen Sieg ihrer Truppen.

Russland und Bulgarien in diplomatischer Krise

Die diplomatischen Spannungen zwischen Russland und Bulgarien am Rande der Ukraine-Krise spitzen sich indes weiter zu. Nachdem am Freitag zu Mittag ein Ultimatum verstrichen war, droht nun der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den zwei Ländern. Die russische Botschafterin in Bulgarien, Eleonora Mitrofanowa, will Moskau um die Schließung der diplomatischen Vertretung in Sofia ersuchen.

Den Schritt hatte die Botschafterin bereits tags zuvor in den Raum gestellt, nachdem Bulgarien 70 Bedienstete der russischen Botschaft des Landes verwiesen hatte. Ihnen wird vorgeworfen, für ausländische Geheimdienste zu arbeiten. Die Betroffenen würden ihren diplomatischen Status nur als Tarnung benutzen, hatte Ministerpräsident Kiril Petkow dazu am Dienstag erklärt.

In Sofia gab es am Donnerstag auch Proteste gegen die Entscheidung, Bedienstete der russischen Botschaft auszuweisen.
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Mitrofanowa erließ am Donnerstag eine diplomatische Note, in der sie Bulgarien wissen ließ, dass sie die Botschaft schließen lassen würde, sollte das Land die Ausweisung nicht bis Freitag, 12 Uhr zurücknehmen. Das ist nicht geschehen. "Leider hat das bulgarische Außenministerium unser Ersuchen ignoriert, und so sehe ich mich gezwungen, mich an die Führung meines Landes unverzüglich zu wenden mit der Anfrage, die russische Botschaft in Sofia zu schließen", schrieb Mitrofanowa am Freitag auf ihrer Facebook-Seite. "Die Verantwortung für die weiteren schwerwiegenden Folgen dieses Schrittes trägt allein die Regierung von Kiril Petkow."

EU und Nato hinter Bulgarien

Die EU stellte sich in dem Streit hinter ihr Mitglied Bulgarien und hat Russlands Verhalten verurteilt. Die Drohungen, die Botschaft zu schließen, seien "ungerechtfertigt", gab der Europäische Auswärtige Dienst bekannt. Denn Bulgarien habe in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht gehandelt. Man sichere Bulgarien "volle Unterstützung und Solidarität" zu.

Auch die Nato sicherte Bulgarien ihre Unterstützung zu. Das Sicherheitsbündnis verurteilte Russlands langjährige Vorgehensweise der Einschüchterung sowie Versuche, in die demokratischen Prozesse und Institutionen einzugreifen, "aufs Schärfste". "Wir stehen solidarisch mit unserem Verbündeten Bulgarien", twitterte Nato-Sprecherin Oana Lungescu.

Die 70 Bediensteten der russischen Botschaft müssten laut Anweisung vom Dienstag bis Sonntag das Land verlassen.

Seemine vor Bulgarien zerstört

Inmitten der diplomatischen Spannungen zerstörte das bulgarische Militär am späten Donnerstag eine Seemine vor der Schwarzmeerküste. Die Mine sei in die Nähe der Küste getrieben, gab das Verteidigungsministerium am Freitag bekannt.

Nachdem Russland im Februar in die Ukraine einmarschiert war, meldeten die Schwarzmeerländer vermehrt Sichtungen solcher Minen im Meer. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, die Minen gelegt zu haben. Die Mine sei in einer kontrollierten Sprengung durch eine Gruppe von Tauchern zerstört worden, hieß es in der Erklärung des Verteidigungsministeriums.

Verheerender Raketenangriff auf Wohnhaus in Odessa

Unterdessen sind in der Schwarzmeerküstenregion Odessa mindestens 18 Menschen bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus getötet worden. Der Angriff ereignete sich in der Nacht auf Freitag. Zahlreiche Menschen wurden verletzt , darunter Kinder. Die Rakete sei von einem über dem Schwarzen Meer fliegenden Flugzeug abgeschossen worden, hieß es vonseiten der Verwaltung der Region. Getroffen wurde ein neunstöckiges Wohnhaus in der Stadt Bilhorod-Dnistrowskyj. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den russischen Raketentreffer als nicht versehentlich bezeichnet. "Das ist ein gezielter Raketenschlag Russlands, Terror Russlands gegen unsere Städte und Dörfer, gegen unsere Menschen, Erwachsene und Kinder."

Das zerstörte Haus in Odessa.
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Im Osten des Landes halten die schweren Kämpfe um die Stadt Lyssytschansk unvermindert an. Die Stadt werde aus verschiedenen Richtungen mit Artillerie beschossen, während sich die russische Armee von mehreren Seiten nähere, sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj. Die Überlegenheit der russischen Feuerkraft sei nach wie vor deutlich zu spüren, sagte Präsident Selenskyj. "Sie haben einfach alle ihre Reserven eingesetzt, um uns zu treffen." Die russischen Streitkräfte versuchen, die letzte größte ukrainische Bastion in der Region Luhansk einzukesseln, nachdem sie kürzlich nach wochenlangen schweren Kämpfen die Nachbarstadt Sjewjerodonezk auf der anderen Flussseite eingenommen hatten.

Russland und Indien kooperieren

Am Freitag telefonierte indes der russische Präsident Wladimir Putin mit dem indischen Premierminister Narendra Modi. Indien hielt sich mit Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg bisher ja weitestgehend zurück. In dem Telefonat hat Putin Russland als zuverlässigen Lieferanten angepriesen. Der Lebensmittel-Weltmarkt sei durch die Fehler einiger Länder und die "illegalen Sanktionen gegen Russland" ins Wanken geraten, doch "Russland war und bleibt ein zuverlässiger Produzent und Lieferant von Getreide, Düngemitteln und Energieträgern, darunter auch für die indischen Partner", hieß es in einer Kreml-Mitteilung vom Freitag.

Indien hat in den vergangenen Wochen die Einfuhr russischen Öls deutlich ausgebaut. So sollen im Juni täglich 1 bis 1,2 Millionen Barrel russischen Rohöls nach Indien gegangen sein. Das ist das rund 50-fache der Menge, die Indien vor dem Krieg gekauft hat. Laut der Mitteilung ist auch der Austausch von landwirtschaftlichen Produkten deutlich angestiegen. (red, APA, 1.7.2022)