Zum Einschlafen muss der Körper abkühlen. Bei Hitze verschiebt sich deshalb die Nachtruhe nach hinten, auch die Schlafqualität sinkt.

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Abends gut durchlüften und morgens abdunkeln, um möglichst wenig Hitze reinzulassen. Viele kennen die klassischen Tipps, um das Schlafzimmer im Sommer möglichst kühl zu halten. Aber viele spüren auch: Sie bringen kaum noch was.

In der Forschung weiß man das schon lange: Die Klimakrise kostet Schlaf. Bei heißen Temperaturen verschiebt sich der Zeitpunkt des Einschlafens nach hinten. Dementsprechend sinkt im Sommer die Schlafqualität. Das liegt hauptsächlich an der Hitze – aber nicht nur. Es kommt auch zu Verhaltensänderungen, die die Hitze mit sich bringt. "Im Sommer ist es länger hell, die Dunkelphasen werden kürzer. Licht unterdrückt aber die körpereigene Produktion von Melatonin, einem Hormon, das dem Körper signalisiert, dass es Zeit zum Schlafen ist. Das irritiert die innere Uhr", erklärt Brigitte Holzinger. Als Schlafexpertin führt sie mittels Schlafcoaching Menschen wieder zurück zu ihrem natürlichen Ruherhythmus. Denn gut schlafen kann man (wieder) lernen.

Mehr Geselligkeit im Sommer

Dabei sollte man sich auf das konzentrieren, was man verändern kann. "Die ideale Schlaftemperatur liegt zwischen 18 und 20 Grad, das klingt dieser Tage wie eine Farce", sagt Holzinger. Dass man das Schlafzimmer so kühl wie möglich halten sollte, ist also klar. Aber auch das Sozialverhalten hat Einfluss auf die Schlafqualität. Und das verändert sich durch die längeren Tage. Während man in der kalten Jahreszeit abends eher zu Hause bleibt, sind im Sommer viele geselliger, essen später und konsumieren Alkohol. "Abendliche Rituale, die dem Körper signalisieren, dass bald Schlafenszeit ist, werden im Sommer weniger eingehalten", sagt Holzinger. Sie sehe das im Schlafcoaching allerdings nicht so streng. Man müsse die Waage halten zwischen der Frage 'Wie sehr achte ich auf meinen Schlaf?' und 'Wie sehr verzichte ich auf Dinge, die mir Freude bereiten und daher guttun?' Denn: "Wenn es einem gutgeht, schläft man meistens auch gut. Ganz egal, ob man ein Ritual eingehalten hat oder nicht", sagt die Schlafexpertin.

Vor ein paar abendlichen Sommerspritzern, wenn sie auch noch so gut schmecken, warnt die Expertin allerdings: "Alkohol wirkt auf die Neurotransmitter im Gehirn ähnlich wie ein Schlafmittel, mit dem Unterschied, dass Schlafmittel die ganze Nacht wirken, Alkohol aber nach vier bis fünf Stunden abgebaut ist. Alkohol macht den Schlaf fragmentierter, und man wacht dann trotz geeigneter Schlafdauer zerschlagen auf." Vor allem Weißwein und Sekt hätten besonders negativen Einfluss auf die Schlafqualität.

Sport besser am Morgen

Ebenso relevant ist das individuelle Sportprogramm. Das ist im Sommer in der Früh besser eingeplant – spätestens vier Stunden, bevor man schlafen geht, sollte das Training jedenfalls beendet sein, denn: "Beim Sport produzieren wir Hormone, die uns an- und aufregen. Die müssen erst wieder abgebaut werden", erklärt Holzinger.

Morgenmensch oder Nachteule

Dabei ist es Typsache, ob man lieber morgens oder abends aktiv ist: "Das Wichtigste für erholsamen Schlaf ist, möglichst immer zur selben Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen", betont die Schlafexpertin. Denn gerade wenn die innere Uhr durch Hitze und lange Tage irritiert ist, sei Routine besonders wichtig. Etwa sieben bis acht Stunden sollten für guten Schlaf eingeplant werden, danach heißt es aufstehen – jeden Tag zur selben Zeit, auch an freien Tagen. Bleibt man doch einmal länger aus, sollte man gleich in der nächsten Nacht zum Rhythmus zurückfinden.

Wacht man trotz Befolgung aller Tipps in der Nacht wegen der Hitze auf, sei es wichtig, den Ärger darüber kleinzuhalten und die Situation nicht aufzubauschen: "Es ist ganz normal, dass man aufwacht. Wir wachen alle mehrmals auf, oft eben nur ohne es zu merken", beruhigt Holzinger. Wichtig sei nur, herauszufinden, wie man am besten wieder einschläft, damit die Wachphasen nicht chronisch werden, eine Ein- und Durchschlafstörung entsteht. Die Expertin rät, zu experimentieren: Meditation, Entspannungsübungen, das Aufschreiben von Gedanken oder kurz aufstehen und abduschen: "Dann kann man auch im Sommer guten Schlaf finden." (Magdalena Pötsch, 3.7.2022)