Sollte das Ziel, Österreichs Gasspeicher bis zur Heizsaison zu 80 Prozent befüllt zu haben, gefährdet sein, wird laut Klimaministerium die Alarmstufe ausgerufen.

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Bisher lief eigentlich alles nach Plan. Zwar liegen die Weltmarktpreise für Gas auf Rekordniveau, aber immerhin gelingt es Österreich seit einiger Zeit, seine Gasspeicher aufzufüllen. 42 Prozent beträgt derzeit der Füllstand. 80 Prozent sollen es zu Winterbeginn sein, hat sich die türkis-grüne Regierung vorgenommen. Damit kommt man, so die Hoffnung, selbst im Fall eines russischen Totalausfalls ohne grobe Versorgungsengpässe über den Winter.

Am Freitag jedoch zeigte sich: Die Gasspeicher in Österreich füllen sich aktuell nicht so schnell wie gehofft. Dies teilte das zuständige Klimaministerium von Leonore Gewessler (Grüne) mit. Demnach sei die Einspeicherung in die österreichischen Speicher seit Dienstag dieser Woche "merklich zurückgegangen", so Gewessler in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Ministerin kündigte für kommenden Dienstag eine Lageeinschätzung der Bundesregierung an. Ursache für die niedrigen Einspeicherraten sind laut ersten Analysen hohe Gasexporte von Österreich nach Italien.

"Die Lage ist ernst", ließ jedenfalls Gewessler per schriftlicher Erklärung wissen. "Es ist wichtig, dass wir die Ursachen genau analysieren. Am Dienstag werden wir in der Bundesregierung über mögliche weitere Schritte entscheiden. Oberste Priorität hat immer die sichere Versorgung von Haushalten und sozialen Einrichtungen".

Einspeicherrate sinkt

Wie geht es nun weiter? Sollte sich abzeichnen, dass Österreich die 80 Prozent Speicherstand bei Winterbeginn nicht erreicht, wird die Alarmstufe im nationalen Gasnotfallplan ausgerufen – es wäre die zweite von drei Stufen. Derzeit befindet sich das Land noch eine Stufe darunter, in der Frühwarnstufe, und dies seit 30. März. In dieser Phase tagt lediglich ein Krisenstab, und Gasflüsse nach Österreich werden verstärkt beobachtet.

In der nächsten Stufe, der Alarmstufe, müssen Großverbraucher, also viele Unternehmen, ihren geplanten Verbrauch für die nächsten Wochen täglich der Regulierungsbehörde E-Control melden. Die Ausrufung der letzten Stufe schließlich, der Notfallstufe, würde im Fall eines Totalausfalls russischen Gases erfolgen. In dieser Phase kann es auch zu Rationierungen kommen – wobei solche derzeit seitens des Klimaschutzministeriums derzeit nur bei Unternehmen vorgesehen sind, nicht aber für Privatpersonen.

Im Gegensatz zu Österreich hat Deutschland vergangene Woche bereits die Alarmstufe ausgerufen, nachdem Russlands Staatskonzern Gazprom Mitte Juni die Lieferungen nach Europa, unter anderem über Nord Stream 1, gedrosselt hatte.

Um das Ziel der 80 Prozent bis zum 1. Oktober zu erreichen, müssten in den nächsten 91 Tagen noch 33.512 Gigawattstunden – oder 368 GWh täglich – eingespeichert werden. Am Dienstag wurden allerdings nur 70,28 GWh eingespeichert, am Mittwoch waren es 218,77 GWh.

Mehr Gigawattstunden für Italien

Wie aus Daten der Austrian Gas Grid Management AG (AGGM) hervorgeht, sind am Dienstag bei Arnoldstein in Kärnten 505 GWh nach Italien geflossen. Für heute, Freitag, waren sogar rund 620 GWh an Gasmenge angemeldet. Zum Vergleich: In den vergangenen 30 Tagen flossen im Schnitt täglich 240 GWh nach Italien.

Was genau hinter diesen Abflüssen nach Italien steckt, ist derzeit noch schwer zu beurteilen. Fest steht: Andere Staaten, die über weniger Speicherkapazität als Österreich verfügen, haben in Österreich Speicher gemietet – eigentlich gehört also nur ein Teil des gespeicherten Gases in Österreich tatsächlich Österreich. Da wäre beispielsweise Slowenien: Das Land verfügt selbst über gar keine Gasspeicher, kann aber Mengen aus Österreich abrufen. Im Fall Italiens liegt eine ähnliche Situation vor.

Der Nervosität am Gasmarkt zeigt sich auch bei den hohen Preisen. Mitte Juni zogen die Gaspreise infolge der gedrosselten Lieferungen aus Russland wieder stark an. Im Mai kostete eine Megawattstunde Erdgas an der Handelsplattform CEGH unter 100 Euro, teils auch weniger als 80 Euro. Am Freitag waren es über 150 Euro. (Joseph Gepp, APA, 1.7.2022)