Hitzetage und Tropennächte bringen Mensch und Natur derzeit wieder einmal an ihre Grenzen.

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Die Hitze hat Europa fest im Griff. Länder wie Spanien, Portugal, Italien und Frankreich leiden seit Wochen unter hohen Temperaturen. Dazu kommt extreme Trockenheit, die etwa den wichtigsten italienischen Fluss Po an den Rand des Austrocknens bringt. Aber auch Österreich und Deutschland kämpfen aktuell wieder mit einer Hitzewelle und wenig Niederschlag. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar, wenngleich Regenfälle im Mai für die Landwirtschaft Schlimmeres verhinderten.

Hitzewellen häufen sich

Dass die global häufiger werdenden Hitzewellen auf den Klimawandel zurückzuführen sind, steht für die Wissenschaft mittlerweile außer Frage. Eine Hitzeperiode, wie sie unter vorindustriellen Klimabedingungen nur alle zehn Jahre auftrat, ist mittlerweile dreimal so wahrscheinlich und im Schnitt um ein Grad heißer.

Noch dramatischer fällt die Wahrscheinlichkeit von 50-jährlichen Hitzeereignissen aus. Sie treten mittlerweile fünfmal häufiger auf. Steigt die globale Erwärmung um zwei Grad, erhöht sich dieser Faktor gar um das 14-Fache, wie eine am Dienstag veröffentlichte Metastudie zeigt. Für diese wurden 350 Untersuchungen zu Extremereignissen der vergangenen 20 Jahre berücksichtigt.

"Die Hitze macht Kranke kränker und kann sie sogar umbringen. Gesunden raubt sie den Schlaf und lässt sie nicht mehr vernünftig arbeiten", findet Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann im STANDARD-Interview klare Worte. Die Bevölkerung sowie das Gesundheitssystem seien auf die klimawandelbedingten Veränderungen nicht vorbereitet. "In heißen Regionen konnten sich Menschen über Jahrhunderte anpassen. Ein österreichischer, geschweige denn ein norddeutscher Körper schafft das in der kurzen Zeit einfach nicht", sagt die Medizinerin.

Kinder, Alte, Kranke

Spätestens nach zwei bis drei Tagen beginnen sich die Notfallaufnahmen bei einer Hitzewelle zu füllen, berichtet Traidl-Hoffmann aus ihrem Spitalsalltag in Augsburg. Vor allem Kleinkinder, Kranke und Alte seien betroffen. Bei älteren Personen spiele die Dehydration eine große Rolle. Alzheimer- und Demenzpatienten könne man nur schwer vermitteln, dass sie viel trinken sollen.

Der italienische Fluss Po ist fast ausgetrocknet.
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Bei vielen Älteren komme dazu, dass die Medikation während solcher Hitzeperioden eigentlich angepasst werden müsste, um eine zusätzliche Austrocknung durch ausschwemmende Medikamente zu verhindern. Das finde derzeit aber kaum statt. Der Schlafmangel wiederum belaste die Psyche stark – auch bei Jüngeren.

Wie vulnerabel unsere Gesellschaft hinsichtlich klimabedingter Veränderungen und extremer Wetterereignisse ist, unterstreicht auch Klaus Haslinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungsstelle des Wissenschaftsministeriums. "Tatsächlich hatten wir schon in den 1940er- und 1950er-Jahren in unseren Breitengraden mit einer längeren Dürreperiode zu kämpfen. Die Auswirkungen heute sind durch die komplexen Systeme aber deutlich größer", erklärt der Klimaforscher.

Extreme Unterschiede

Ähnliches gelte für Starkregenereignisse und Überschwemmungen. "Dass wir jahrzehntelang Böden versiegelt, Flüsse begradigt und Flächen in Risikogebieten zum Bauen gewidmet haben, rächt sich jetzt besonders", sagt Haslinger. Der Klimawandel sei zwar nicht für jedes Extremereignis ursächlich verantwortlich, beeinflusse aber deren Häufigkeit und Intensität.

"Gerade bei den Niederschlägen sehen wir, dass die Spanne zwischen extremer Trockenheit und enormen Regenmengen immer größer wird. Sieht man sich nur den Mittelwert für einen Sommer oder ein Jahr an, kann das irreführend sein, weil Extremereignisse wie wochenlange Trockenheit, gefolgt von enormen Regenmengen dabei kaum sichtbar werden."

Auf extreme Trockenheit können sintflutartige Regenfälle folgen, die verheerende Konsequenzen haben.
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Während die Datenlage für den Zusammenhang von Hitzewellen und Klimawandel eindeutig ist, trifft dies auf Dürre nur eingeschränkt zu, wie auch die eingangs erwähnte Metastudie zeigt. Zwar konnten Forschende nachweisen, dass die anhaltenden Dürren in Kalifornien, dem westlichen Nordamerika und im Mittelmeerraum durch ausbleibende Niederschläge und höhere Temperaturen mitverursacht werden. Für viele Regionen wie etwa Ostafrika konnte ein direkter Zusammenhang bisher aber nicht nachgewiesen werden.

Hitze und Dürre

Das bestätigt auch Klimaforscher Haslinger, der aber eine gewisse Wechselwirkung ortet: "Wenn der Boden durch fehlende Niederschläge sehr trocken ist, kann sich die Oberfläche und dadurch die Luft stärker erwärmen. Eine Hitzewelle wird dadurch wahrscheinlicher. Umgekehrt sorgen extreme Temperaturen gerade im Sommer für eine hohe Verdunstung. Wird dem Boden viel Wasser entzogen, kann das wiederum Dürre begünstigen."

Die steigenden Temperaturen würden zudem dafür sorgen, dass die Vegetationsphase länger ausfalle, Pflanzen folglich über einen längeren Zeitraum den Wasserhaushalt anzapfen. Im alpinen Raum komme hinzu, dass durch die steigende Schneefallgrenze der im Winter fallende Niederschlag als Regen schnell abfließt und nicht mehr als Schnee längerfristig gespeichert wird.

Claudia Traidl-Hoffmann beschreibt die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in ihrem Buch "Überhitzt" (Dudenverlag 2021)
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Das fehlende Schmelzwasser verschärft dann die Situation, wenn wie zuletzt der Frühling niederschlagsarm ausfällt. Um für die kommenden Jahre besser gewappnet zu sein, plädiert der ZAMG-Forscher folglich für überregionale Pläne zum Dürremanagement, die es in dieser Form in Österreich bisher nicht gebe. "Wo wann Wasser gespart und gespeichert werden muss, sollte besser koordiniert werden", sagt Haslinger.

Kritik und Hoffnung

In ein ähnliches Horn stößt Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann, die Derartiges auch für das Gesundheitssystem vermisst: "Jedes Krankenhaus verfügt über Notstromaggregate. Keinen Plan gibt es hingegen für den Fall, dass die Wasserversorgung zusammenbricht."

Was die Medizinerin und den Klimaforscher eint, ist die Hoffnung, dass die Menschheit den Klimawandel bewältigen kann. Während Haslinger optimistisch ist, dass zumindest einige der Folgen durch Einschränkungen und Anpassungen abgefangen werden können, hofft Traidl-Hoffman auf "soziale Kipppunkte."

"Es liegt in unserer Hand, die ohnehin notwendige Energiewende zu schaffen oder etwa den Fleischkonsum zu ändern. Ich hoffe, die Menschheit versteht, dass der Klimawandel die größte Gefahr und zugleich die größte Chance ist. Wir sollten sie am Schopf packen", sagt die Medizinerin zum STANDARD. (Martin Stepanek, 2.7.2022)