Das Megaverfahren rund um Preisabsprachen in der Baubranche hält die Wettbewerbsbehörde weiter auf Trab.

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Preisabsprachen zwischen Bauunternehmen, mutmaßliche Kartellverstöße in der Müllwirtschaft und Ermittlungen gegen den Bierkonzern Brauunion: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hatte in den vergangenen Jahren alle Hände voll zu tun. Seit Herbst, als der bisherige Behördenleiter Theodor Thanner überraschend zurücktrat, ist die wichtige Position des Generaldirektors aber unbesetzt.

Wie DER STANDARD berichtete, ist das Rennen um die Nachfolge Thanners in die heiße Phase gekommen – allerdings wird es nun doch nicht zur ursprünglich für den Ministerrat am Mittwoch vorgesehenen Besetzungsentscheidung kommen. Wie DER STANDARD erfahren hat, legten sich die Grünen quer. Geplant gewesen wäre demnach, dass der derzeitige Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts, Michael Sachs, den Chefposten bekommt. Wirtschaftsminister Martin Kocher soll die Angelegenheit so in die Koordinierung für den Ministerrat gebracht haben, daraus wird nun aber nichts. Am Wochenende war dem STANDARD vom Wirtschaftsministerium bestätigt worden, dass es noch kein Einvernehmen im Ministerrat gebe.

Etliche Branchenkenner hatten zuletzt bezweifelt, dass der Bestellungsvorgang fair ablaufe. Sie sehen unter anderem Interessenskonflikte bei der Besetzung der Personalkommission, die die Entscheidung für die Bundesregierung vorbereitet und einen Dreiervorschlag erstellt hat.

Drei Favoriten

Als Favorit für den Chefposten galten neben Sachs (61) Natalie Harsdorf-Borsch, die Interimschefin der Wettbewerbsbehörde, und ein Wiener Kartellrechtsanwalt. Eigentlich sollte der Posten bereits nachbesetzt sein; mangels Einigung der Koalitionsregierung vor der Sommerpause bleibt es nun zumindest bis zum Ferienende bei der jetzigen Zwischenlösung.

Sachs gilt aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium als der "politische Kandidat". Er war ab 1985 im Wirtschaftsministerium tätig, von 1988 bis 1991 im Kabinett der ÖVP-Minister Robert Graf und Wolfgang Schüssel, bis 1995 Kabinettschef. Aus dem nunmehrigen Auswahlverfahren der Personalkommission für die Wettbewerbsbehörde soll Sachs mit 14 von 15 erreichbaren Punkten als Bestgereihter hervorgegangen sein. Die 37-jährige Juristin Harsdorf-Borsch, die seit 2009 als Wettbewerbshüterin in der BWB arbeitet, soll ex aequo mit dem Rechtsanwalt auf Platz zwei gelandet sein – beide sollen 13 Punkte erreicht haben.

Anders als von manchen erwartet, hat es zwar ein Hearing von sechs Bewerberinnen bzw. Bewerbern vor der Begutachtungskommission gegeben, bis dato allerdings keines vor dem für die BWB zuständigen Wirtschaftsminister Kocher oder anderen Regierungsmitgliedern. Das überrascht auch insofern, als Kocher die Nachbesetzung des Generaldirektorsposten von seiner Vorgängerin Margarethe Schramböck (ÖVP) quasi geerbt hat.

Interessenkonflikt?

Kritisch wird unter Juristinnen und Juristen zudem Folgendes gesehen: Vorsitzender der Personalkommission war Jörg Zehetner, Partner bei der Wiener Anwaltskanzlei Karasek Wietrzyk (KWR). Er ist – so wie Michael Sachs – Mitglied der Wettbewerbskommission, die die BWB laufend berät. Zehetners Kanzleipartner, Georg Karasek, ist Präsident der Ögebau, der Österreichischen Gesellschaft für Baurecht und Bauwirtschaft. Laut Homepage versteht sie sich als "Sprachrohr der Baujuristen und der Baupraktiker gegenüber der Öffentlichkeit (Gesetzgebung, Austrian Standards etc.)".

Dass Kommissionsvorsitzender Zehetner bzw. die Rechtsanwaltskanzlei Karasek Wietrzyk Bauunternehmen rund um die BWB-Causa Preisabsprachen oder in daraus abgeleiteten Verfahren beraten und sich daraus ein Interessenkonflikt ableiten ließe, wie manche behaupten, das bestreitet Zehetner auf STANDARD-Anfrage vehement. Ein solcher Konflikt, den er als Vorsitzender gemäß Ausschreibungsgesetz anzeigen hätte müssen, liege nicht vor. Denn weder er selbst noch andere Anwälte der Kanzlei KWR seien in solche Verfahren gegen Bauunternehmen involviert. Er habe den Vorsitz der Begutachtungskommission als Kartellrechtsexperte übernommen und könne Persönliches klar davon trennen, erklärt der Rechtsanwalt.

Erfahrene Interimschefin

Kritik übten Insider wie berichtet auch an einer Änderung in der Stellenausschreibung. Sie könne Sachs helfen, der im Kartellrecht deutlich weniger Erfahrung hat als Harsdorf-Borsch. Im Gegensatz zur letzten Ausschreibung für den BWB-Spitzenjob ist die berufliche Vorerfahrung im Wettbewerbsrecht nämlich nur mehr "allgemeine Voraussetzung". Damit wird sie nur noch "abgehakt" und nicht mehr gewichtet. Sachs selbst sagte auf STANDARD-Anfrage, dass er sich auf Grundlage der Ausschreibung beworben habe. Änderungen seien ihm nicht bekannt.

Seine Konkurrentin Harsdorf-Borsch begann als Referentin bei der BWB und stieg dort 2021 zur stellvertretenden Generaldirektorin auf. Schon seit längerem gilt sie als die logische Nachfolgerin an der Spitze der Behörde. In Fachkreisen erarbeitete sie sich nicht zuletzt aufgrund ihrer Verfahren gegen Bauunternehmen einen Ruf als beherzte und unerschrockene Wettbewerbshüterin. Vor allem die Bauwirtschaft würde ihre Bestellung zur Generaldirektorin der BWB wohl sehr skeptisch sehen, heißt es unter Juristen.

Riesiges Strafverfahren

Auch der Wiener Kartellrechtsanwalt, der mit Harsdorf-Borsch ex aequo auf dem zweiten Platz gereiht wurde, ist kein Unbekannter in der kleinen Kartellrechtsbranche. Er berät, wie etliche andere Anwälte, unter anderem den Baukonzern Strabag, der in der Preisabsprachen-Causa Baukartell eine Art Kronzeuge ist. Der Baukonzern hat von der BWB eine Strafe in der Höhe von rund 45 Millionen Euro ausgefasst.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt ein Ermittlungsverfahren gegen rund 850 beschuldigte Unternehmen wie Personen. Für sie alle gilt die Unschuldsvermutung. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 4.7.2022)