Voodoo Jürgens spielte mit seiner Band Ansa Panier am Samstag in der Wiener Arena. Viel besser konnte man den Abend nicht verbringen.

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Wo ist die Grenze zwischen federndem Schritt und knieweichem Gang? Voodoo Jürgens legt sich da nicht fest. Er tänzelt eineinhalb Stunden mit der Eleganz eines von sechs Achterln in Ehren motivierten Strizzis durch seine Balladen. So als stünde er von dieser Dosis unbesiegbar gemacht im Ring, bereit, gegen die depperte Welt über 15 Runden zu gehen. So wie Hansi der Boxer.

Ein Lied, das er an diesem Samstagabend auf dem Open-air-Gelände der Wiener Arena noch spielen wird. Es ist eine Eloge an Hans Orsolics, jenen tragischen Helden des heimischen Boxsports, der sich mit Mei potschertes Leb’n und dem Refrain "I hob valurn" selbst ein akustisches Denkmal gesetzt hat.

Der Tiger im Tank ist verbleit

Aus dieser Zeit, den 1980ern, bezieht der Tullner David Öllerer als Voodoo Jürgens seine Inspiration. Als die Huren noch aus Liebe zum Beruf anschaffen gingen, wie Helmut Qualtinger es einmal formuliert hat. Die Mode stammt aus dem Kaufhaus "Zur Grauen Maus", der Tiger im Tank ist verbleit, am Dach ein Vokuhila und aus dem Schnabel entkommt ihm ein Hausmeister-Idiom, dass die Maresi bricht.

Also solcher zählt Voodoo Jürgens zu den herausragenden Vertretern einer originär österreichischen Popmusik. Sie steht in Erbfolge des klassischen Austropop, und das ist ein Kompliment. Denn es meint nicht den Gassenhauer-Schlager eines Peter Cornelius, sondern die dunkelgrauen Lieder des Ludwig Hirsch, mit ähnlich detailverliebten Beobachtungen und Schilderungen. Und doch ist er keine Kopie. Allein schon der Vortrag, ranzig und raunzig, macht den Mann originell, ohne dass man deshalb gleich den jungen Bob Dylan bemühen müsste — hoppla.

Calexico aus Meidling

Unterstützt wird er von der Ansa Panier. Ein Quintett, das die holpernden und stolpernden Lieder ihres Leaders manchmal zart balkanisch aufganselt, in Schwung und Swing bringt. Sich mit Keyboards, Blechgebläse und Stehbass in die Kurve legt, schaut, ob man da zusammen am Ende gerade wieder herauskommt. Wenn nicht, dann nicht. Auch wurscht.

Im ersten Drittel des Konzerts bremst Voodoo sich noch selbst ein bisserl zu sehr ein; da ist man publikumsseitig schon willens, etwas mehr Dampf zu empfangen. Doch das wird. Lieder wie Ohrwaschlkräuler, 2 L Eistee oder das Titelstück seines zweiten von zwei Alben, – ’S klane Glückspiel – brechen den Damm. Das Publikum singt ergeben mit, während Voodoo mit System verliert: "Gibt's jo net / Gibt's jo net / Ollas dahin."

Stellenweise klingt die Musik nach Calexico aus Meidling. Der Drive steht ihm gut, das volle Gelände geht adäquat mit, die Zapfhähne glühen. Hits wie Heite grob ma Tote aus besorgen allen den Rest.

Neues Album im Dezember

Voodoo verkündet ein neues Album für Dezember und legt live schon ein paar Köder aus. In einem dieser Appetizer heißt es: "Wer wird mi am Bugl trogn, wer wird mir a Gruabm grom?" Ein Moment, in dem er das Voodoo-Versprechen erfüllt, ein Stück wie ein rauschender Begräbnismarsch in New Orleans. Auch da ein fließender Übergang von der Lebensfreude zur Todesangst, von der Ekstase zum Angstschiss, federnd und knieweich zu gleich. Ein Bein am Tanzboden, eines in der Grube, und das Publikum im siebten Himmel. (Karl Fluch, 3.7.2022)