Aufgetischt: Bundeskanzler Karl Nehammer frühstückte mit Claudia Stöckl.

Foto: Thomas Wunderlich / Hitradio Ö3

Wien – "Das wird den Zuhörerinnen und Zuhörern komisch vorkommen, aber ich habe eine hohe Leidenschaft für die Volkspartei." Also sprach Karl Nehammer (ÖVP), und viele werden sich gedacht haben: allerdings. Wie kann man nur?! Claudia Stöckl hat den Bundeskanzler am Freitag zum "Frühstück bei mir" getroffen, respektive zum Frühstück bei ihm, denn geplaudert und gegessen wurde im Bundeskanzleramt. Von einem Salzstangerl, Espressi und einer Gurke war die Rede, der Rest des Frühstücks ist nicht überliefert. Was fehlte, waren kritische Fragen. Das Wohlfühlinterview bekamen die Zuhörerinnen und Zuhörer am Sonntagvormittag auf Ö3 serviert.

Comeback des Boxers

Nehammer ist die Nummer sieben unter Österreichs Bundeskanzlern (Gendern nicht notwendig), die mit Claudia Stöckl frühstücken durften. Und gab sich ganz als Boxer, der er seit eineinhalb Monaten wieder ist, denn vorher fand er keine Zeit, seiner Leidenschaft zu frönen. "Ich denke ans körperliche Überleben und nicht an komplexe Sachverhalte", sagte der Bundeskanzler. Boxen fungiere für ihn als Ventil. Ein Geben und Nehmen quasi. "Es ist ganz wichtig, hart im Nehmen zu sein, auf der anderen Seite ist es wichtig, wieder in die Offensive zu kommen, um Dinge bewegen zu können", sprach Nehammer über seinen Boxstil und sein Lebensmotto und wünschte sich als Motivationssong "Eye of the Tiger" von Survivor. Was er sonst noch hört? U2, Kid Rock oder Seiler und Speer waren beispielsweise noch auf seiner Playlist.

Lebensmotto

Mit Altkanzler und Vorvorgänger Sebastian Kurz verbindet Nehammer nach wie vor eine Freundschaft, erzählte er. Und sein Motto sei: "Nimm dich nicht so wichtig." Das unterscheidet ihn wohl von Sebastian Kurz. Den Satz "Nimm dich nicht so wichtig" habe er, Nehammer, von seinem Vater häufiger zu hören bekommen, wenn es wieder einmal Streit oder eine Krise gegeben habe, das habe sich eingebrannt. Man müsse sich ständig aufs Neue hinterfragen. Wahrscheinlich erst recht und zu Recht, wenn man sich die schlechten Umfragewerte der ÖVP vor Augen führt. Diese lösen in ihm ein "total bedrückendes Gefühl aus", sagte Nehammer und versprach: "Wir werden die Volkspartei neu ordnen. Volle Transparenz für die Frage der Parteienfinanzierung. Medientransparenz. Damit wir eben genau diesen Generalverdacht wegbekommen. Der ist jetzt genau dieser Mühlstein, der da uns am Hals liegt." Ein Mehr an Selbstreflexion würde womöglich helfen.

Chatprotokolle

Zu den Chatprotokollen sagte Nehammer, ohne auch nur einen Namen zu nennen: "Da gibt es Typen, die schreiben in einer Art und Weise, wo man sagt, das ist unfassbar." Das habe mit seiner Lebenswirklichkeit nichts zu tun. Er wolle aber nichts wegwischen. "Das Leben ist nie schwarz und weiß." Er schreibe noch immer Whatsapp-Nachrichten. Zumindest die letzte Nachricht dürfte unverfänglich gewesen sein. Sie kam von seinem Sohn, erzählte er.

Gastgeberin ist nicht schuld

In der Cobra-Affäre – zwei Personenschützer hatten Mitte März in seiner Wohnung mit seiner Frau Katharina Nehammer gefeiert und danach alkoholisiert einen Unfall verursacht – sah Nehammer, der Karl, die alleinige Schuld bei den Beamten. "Das sind ja jetzt keine Jugendlichen, sondern Anti-Terror-Spezialisten." Es sei eine Frage der Eigenverantwortung, wo und in welchem Ausmaß sie feiern. Manchmal ist es allerdings auch hilfreich, wenn einem der Gastgeber oder die Gastgeberin behilflich ist, dies auch wahrzunehmen. Nehammer kritisierte in diesem Zusammenhang einmal mehr, dass das Sicherheitskonzept zum Schutze seiner Familie veröffentlicht wurde: "Ich bin 1,90 Meter groß, wiege 100 Kilo. Ich bin, glaube ich, genug Angriffsfläche für alle, die mich politisch angreifen wollen."

Ob er täglich bete, sagt Nehammer nicht, nur: Er sei oft im Zwiegespräch. Aha. Gefragt nach seiner Rolle als Vater und Familienmensch, erhielt Nehammer von seiner Gattin übrigens die Note Sehr gut. Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen. (Oliver Mark, 3.7.2022)