Noch nie gab es mehr Beschäftigte in Österreichs Hotellerie, dennoch fehlen Mitarbeiter, wohin man schaut.

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Die Wirtschaft boomt. Das lässt sich am leergefegten Arbeitsmarkt ablesen. Speziell der Tourismus leidet unter der sich weiter öffnenden Schere zwischen vielen selbst in der Hochsaison noch offenen Stellen und einer vergleichsweise geringen Nachfrage. Immer mehr Hoteliers, Männer wie Frauen, beschreiten deshalb unorthodoxe Wege.

"Wir haben im Tourismus aktuell mehr Beschäftigte als vor Corona, trotzdem fehlt Personal", sagt Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), im STANDARD-Gespräch. Laut den letzten verifizierten Daten waren im Monat Mai insgesamt 207.378 Personen im heimischen Tourismus beschäftigt, fast 1000 mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019 (206.370).

Mehr Personal, weniger Stunden

In der Hotellerie war der Anstieg noch deutlicher: knapp 87.000 Beschäftigte gegenüber gut 84.000, ein Plus von 3,4 Prozent. Warum fehlt es dennoch an allen Ecken und Enden an Personal? Weil die Stundenzahl zurückgeht – sprich mehr Männer und Frauen Teilzeit und nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, wie Veit formuliert. Aber auch, weil der Tourismus "darunter leidet, dass es offene Stellen in allen Branchen gibt und dass es sich die Leute aussuchen können", wie es AMS-Chef Johannes Kopf am Samstag im Journal zu Gast aufÖ1 auf den Punkt brachte. Geld sei nicht das Einzige, ohne entsprechend gute Entlohnung gehe aber gar nichts.

Viele Betriebe haben aus Mangel an Mitarbeitern ihr Dienstleistungsangebot eingeschränkt. Andere haben zusätzliche Schließtage eingeführt, setzen auf Automatisierung oder wagen sich an noch nicht Probiertes.

Mut zu Neuem

Sie ist eine Powerfrau, Dienst am Gast ist für Heidi Schaller gleichbedeutend mit Leben. Die Grazerin, die nach einer in Südafrika verbrachten Kindheit in der Heimat ihre Leidenschaft für den Tourismus entdeckt hat, ist nach längerer Pause zurück im Hotelbusiness. Erstmals mit einem Objekt, das sie nach eigenen Vorstellungen gestalten konnte und das sie, weil auch ihr Geld drinsteckt, als eigenes Haus betrachten kann; erstmals ist es kein Ferien-, sondern ein Businesshotel – ein Haus primär für Geschäftsreisende. Mut kann man Schaller nicht absprechen, in Zeiten wie diesen ein Hotel aufzusperren.

Heidi Schaller, Hoteldirektorin und Miteigentümerin des Green Business Hotel am Mühlengrund 8 in Raaba bei Graz.
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Mitarbeitermangel ist nicht nur im Tourismus das dominierende Thema. Sie glaubt fest an ihr Konzept, das im Großraum Graz und weit darüber hinaus ziemlich einzigartig ist: mit so wenig Personal wie unbedingt notwendig dem Gast ein Höchstmaß an persönlichem Komfort bieten.

"Nach meinen Stationen davor war das eine bewusste Entscheidung: wenn ich das noch einmal mache, dann kein Ferienhotel mehr, kein Restaurant im Haus, nur Übernachtung, Frühstück und, wenn gewünscht, Catering", sagt Schaller. Im Jänner hat sie das Green Business Hotel in Raaba bei Graz aufgesperrt – "kurz nach Corona mit vier Gästen und den Tränen nahe", wie sie sich erinnert. Im Mai dann die offizielle Eröffnung.

Raaba, Am Mühlengrund 8: Wo heute das Green Business Hotel von Heidi Schaller mit vorgelagertem Badesee steht, gab es vor rund 120 Jahren eine Mühle, die dem Mehlhersteller Farina gehörte.
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4,5 Millionen Euro hat Schaller, die nach diversen Stationen in der Ferienhotellerie bis 2017 als Geschäftsführende Direktorin bei Werzers Hotelbetrieben am Wörthersee für 180 Mitarbeiter verantwortlich war, mit befreundeten Investoren und einer Bank aus Salzburg aufgebracht – zwei Millionen für den Kauf, 2,5 Millionen für Adaptierung und Ausbau des Hauses, das von ursprünglich 20 auf 52 Zimmer aufgestockt wurde. Kein einziges steirisches Institut habe einen Kredit herausgerückt, was Schaller, die nach einigen persönlichen Schicksalsschlägen so schnell nichts mehr aus der Bahn werfen kann, doch "sehr bedenklich" findet.

Sie hat das auf Nachhaltigkeit getrimmte Hotel im Alleingang gestartet: Reservierung, Rezeption, Reinigung, Frühstück – sie ist alles in einer Person. "Ich habe mir gesagt, wenn ich ein Hotel aufsperre, dann so, dass ich es allein schaffe oder mit ganz wenig Helferlein. Die Lage am Arbeitsmarkt erfordere neue Herangehensweisen. Eine Reinigungskraft auf Teilzeitbasis hat Schaller inzwischen gefunden, auch die Buchungslage verbessere sich jetzt sukzessive.

Bettina Grieshofer sucht Käufer für ihr Boutiquehotel Anna Plochl in Bad Aussee.
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Anders die Situation in Bad Aussee. Dort hat Bettina Grieshofer vor Corona viel Geld in ein Boutiquehotel mit acht Zimmern gesteckt. Das Haus Anna Plochl wurde bewusst für Self-Check-in konzipiert – sehr personalsparend. Gäste bekommen den Türcode vor Anreise per SMS. Die Buchungslage sei "katastrophal", sagt Grieshofer. Corona habe das Geschäft zerstört. Das Hotel steht seit Februar zum Verkauf. (Günther Strobl, 4.7.2022)