Carlos Sainz hatte seinen Sieg auch einer Entscheidung der Ferrari-Strategen zu verdanken.

Foto: AP Photo/Frank Augstein

Im Ziel war ihm das freilich wurscht.

Foto: AP Photo/Matt Dunham

Mit rasender Geschwindigkeit rutschte Zhou Guanyus Bolide von der Strecke.

Foto: AP Photo/Frank Augstein

Silverstone – Einen Tag nach seiner ersten Pole Position hat Ferrari-Pilot Carlos Sainz auch seinen ersten Formel-1-Sieg unter Dach und Fach gebracht. Der Spanier setzte sich am Sonntag nach einem außergewöhnlichen Großen Preis von Großbritannien in Silverstone vor Sergio Perez im Red Bull und Mercedes-Star Lewis Hamilton durch. Weltmeister Max Verstappen kam nicht über Rang sieben hinaus, behielt aber die WM-Führung. Charles Leclerc musste sich mit dem vierten Platz begnügen.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist unglaublich. Ein sehr besonderer Tag, den ich nicht vergessen werde", freute sich Sainz nach seinem 150. Grand-Prix-Start. "Es war nicht einfach. Ich hatte ein bisschen Probleme mit der Balance", erklärte der 27-Jährige. Eine Safety-Car-Phase verschaffte ihm am Ende noch die Chance auf den Sieg, die er eiskalt ergriff. "Silverstone war für mich immer ein ganz besonderer Ort."

Perez freute sich über seine erfolgreiche Aufholjagd. "Wir haben nicht aufgegeben, wir haben weiter attackiert. Es waren epische letzte Runden", sagte der Mexikaner. Der britische Lokalmatador Hamilton bekundete, er habe alles gegeben. "Das ist ein großer Bonus für uns, auf dem Podium zu sein. Wir werden weiter so gut wir können dranbleiben." Am Ende habe ihm der Topspeed gefehlt. "Ihr wart so schnell auf den Geraden", sagte er zu Perez.

Heftiger Crash

Das Rennen in England begann erst mit rund 50-minütiger Verspätung, da es kurz nach dem plangemäßen Start zu einem heftigen Crash gekommen war. Der Chinese Zhou Guanyu überschlug sich in seinem Alfa Romeo und wurde mit hoher Geschwindigkeit über einen Reifenstapel in einen Zaun geschleudert. Nach den ersten Untersuchungen gab es Entwarnung: Der 23-Jährige war demnach bei Bewusstsein, ansprechbar und hatte keine ernsthaften Verletzungen.

Zhous Auto war zwischen Reifenstapel und Zaun eingekeilt.
Foto: Ben Stansall / AFP

Betroffen waren auch George Russell im Mercedes und – wegen einer anderen Kollision – Alexander Albon im Williams. Beide stellten ihre beschädigten Autos am Streckenrand ab, Albon wurde in einem anderen Krankenhaus untersucht. Russell hätte laut eigenen Angaben weiterfahren können, was das Reglement aber nicht zulässt. Alpine-Pilot Esteban Ocon und Yuki Tsunoda im AlphaTauri konnten ihre Rennwagen an die Box zurückfahren.

Beim zweiten Start behielt Pole-Position-Mann Sainz mit Ach und Krach die Führung, dahinter kamen sich Verstappen, Leclerc und Perez etwas in die Quere. Der Leclerc-Ferrari und das Auto von Perez wurden leicht beschädigt, der Mexikaner musste deswegen auch einen frühen Boxenstopp einlegen. In der 10. Runde leistete sich Sainz einen kleinen Fehler und verließ die Strecke, sofort überholte ihn Verstappen.

Verstappens Unterboden kaputt

Nur zwei Runden später gab dem Spanier allerdings ein plötzlicher Performance-Verlust bei Verstappen die Führung zurück. Ein Reifenwechsel brachte keine Besserung. Am Funk sagte man Verstappen, dass er am Heck viel weniger Abtrieb habe, jedoch weitermachen könne. Laut Teamchef Christian Horner war der Unterboden beschädigt, das bestätigte Verstappen danach. Er habe einem Trümmerteil nicht mehr ausweichen können, dieses habe die linke Seite des Unterbodens beschädigt. "Das Auto war fast unfahrbar, ich habe von da an viel Zeit verloren. (...) Es war heute viel Schadensbegrenzung", erklärte er.

Während der Weltmeister wegen seiner Grip-Probleme immer weiter zurückfiel ("Ich fahre wie auf Eis"), kam Hamilton dem Ferrari-Duo an der Spitze immer näher. In der 26. Runde übernahm der siebenfache Champion zwischenzeitlich die Führung, da sowohl Sainz als auch Leclerc ihre Reifenwechsel absolviert hatten. Ferrari tauschte die Plätze in der 31. Runde, da Leclerc schneller als sein Teamkollege war. Nach Hamiltons eher langsamem Stopp führte der Monegasse vor Sainz den Grand Prix an.

Eine Safety-Car-Phase kurz vor Rennende machte es noch spannender: Ferrari holte nur Sainz in die Box, um auf frische Reifen zu wechseln. Das taten auch die anderen Spitzenfahrer, mit den alten Pneus war Leclerc nach dem Restart im Hintertreffen. Einige Runden gab es herrliches Racing zu sehen, Perez ging an Leclerc und Hamilton vorbei. Der Monegasse musste dem Briten in einem packenden Duell den Vortritt lassen, musste sich danach sogar noch gegen Fernando Alonso verteidigen und wurde Vierter. Nach dem Rennen machte ihm Ferrari-Teamchef Mattia Binotto mit einer unmissverständlichen Geste klar, dass Kritik an den fragwürdigen Strategieentscheidung nicht erwünscht sei.

Schumachers erste Punkte

Als Achter machte Mick Schumacher im Haas seine ersten Punkte in seiner Karriere. "Jetzt geht es wieder aufwärts", sagte Haas-Teamchef Günther Steiner, auch seine Schwester Gina-Maria meldete sich am Funk. Direkt hinter Schumacher landete an dessen 35. Geburtstag sein Deutscher Landsmann Sebastian Vettel (Aston Martin). Beide waren vom Ende des Feldes gestartet.

In der WM-Wertung verringerte sich der Vorsprung von Verstappen auf seinen Teamkollegen Perez auf 34 Punkte. Leclerc liegt nun 43 Punkte zurück, Sainz 54 Zähler. Hinsichtlich der WM-Entscheidung wäre es aus Sicht von Ferrari wohl besser gewesen, Leclerc holt den Sieg.

In Silverstone kamen über das gesamte Wochenende laut offiziellen Angaben über 400.000 Fans. Das war ein neuer Rekordwert. Unter den Stars und Sternchen vor Ort waren Schauspiel-Star Tom Cruise, der die Mercedes-Box beehrte, und das Ski-Pärchen Mikaela Shiffrin und Aleksander Aamodt Kilde. (APA, red, 3.7.2022)

Ergebnis:

1. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 1:21:20,440 (Schnitt: 226,813 km/h)
2. Sergio Perez (MEX) Red Bull +3,779
3. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +6,225
4. Charles Leclerc (MON) Ferrari +8,546
5. Fernando Alonso (ESP) Alpine +9,571
6. Lando Norris (GBR) McLaren +11,943
7. Max Verstappen (NED) Red Bull +18,777
8. Mick Schumacher (GER) Haas +18,995
9. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin +22,356
10. Kevin Magnussen (DEN) Haas +24,590
11. Lance Stroll (CAN) Aston Martin +26,147
12. Nicholas Latifi (CAN) Williams +32,511
13. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren +32,817
14. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri +40,910

Ausgeschieden: Alexander Albon (THA) Williams, Valtteri Bottas (FIN) Alfa Romeo, Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri, Esteban Ocon (FRA) Alpine, George Russell (GBR) Mercedes, Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo

Schnellste Runde: Lewis Hamilton (GBR) Mercedes in der 52. Runde in 1:30,510 (Schnitt: 234,310 km/h)

WM-Stand (nach 10 von 22 Rennen):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 181
2. Sergio Perez (MEX) Red Bull 147
3. Charles Leclerc (MON) Ferrari 138
4. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 127
5. George Russell (GBR) Mercedes 111
6. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 93
7. Lando Norris (GBR) McLaren 58
8. Valtteri Bottas (FIN) Alfa Romeo 46
9. Esteban Ocon (FRA) Alpine 39
10. Fernando Alonso (ESP) Alpine 28
11. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri 16
12. Kevin Magnussen (DEN) Haas 16
13. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin 15
14. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren 15
15. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri 11
16. Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo 5
17. Mick Schumacher (GER) Haas 4
18. Alexander Albon (THA) Williams 3
19. Lance Stroll (CAN) Aston Martin 3

Stand Konstrukteurs-WM (nach 10 von 22 Rennen):

1. Red Bull 328
2. Ferrari 265
3. Mercedes 204
4. McLaren 73
5. Alpine 67
6. Alfa Romeo 51
7. AlphaTauri 27
8. Haas 20
9. Aston Martin 18
10. Williams 3