Szenen einer Angelobung: Staatschef Xi Jinping (re.) und Hongkongs neuer Stadtchef John Lee.

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So sieht in den Worten des chinesischen Staatschefs Xi Jingping die "wahre Demokratie" aus: Nach einer Wahl ohne Gegenkandidat gelobte er Freitag den bisherigen Sicherheitschef von Hongkong, John Lee, als neuen Regierungschef der Stadt an. Lee hatte zuvor 99 Prozent der Stimmen in einem von Peking handverlesenen Komitee erhalten. Bis dahin hatte sich der 64-Jährige, der auf der US-Sanktionsliste steht, bei der Unterdrückung der Protestbewegung einen Namen gemacht. Er wird eine neue Ära in der 7,5-Millionen-Stadt einläuten: wenig Widerspruch, Entscheidungen im kleinen Kreis.

Hongkongs Zivilgesellschaft nämlich hatte Lee, der seine unangefochtene Wahlkampagne jüngst als "nicht einfach" bezeichnete, seit 2020 mit aller Macht niederschlagen lassen. Aktivistinnen und Aktivisten, die 2019 noch mit Großdemos das geplante Gesetz für die Auslieferung an Festlandchina gestoppt hatten, ließ er auf Schritt und Tritt verfolgen. Viele landeten im Ausland, wichtige Köpfe in Haft. Das und die Corona-Lockdowns haben die Lage abkühlen lassen – und Lee zu Pekings idealem Kandidaten für die willfährige Umsetzung von Chinas Hongkong-Politik gemacht.

Stabilität über alles

Ordnung und eine stramme Befehlskette: Das spielte im Leben des Vaters zweiter Söhne schon immer eine große Rolle. 1979 verzichtete er auf ein Studium, das dem "klugen Schüler mit langen Haaren und Sinn für Mode", wie ihn ein Kollege der AFP beschrieb, wegen seiner guten Noten offengestanden wäre. Stattdessen schloss er sich der Polizei an – in der Hoffnung auf Stabilität.

Und Lee schritt durch die Ränge: Straßenpolizist, Chef einer Einheit, später für interne Nachforschungen zuständig, Schulungen in Führungsaufgaben. Zum Mann Pekings wurde er spätestens 2012, als er seine britische Doppelstaatsbürgerschaft ablegte und zum Untersekretär für Sicherheit in der Stadt aufstieg. Kritische Fragen zur Pekinger Politik lassen dem sonst umgänglichen Katholiken die Gesichtszüge einfrieren, berichten westliche Diplomaten der Agentur Reuters.

Auflockerung bringt hingegen seine Frau Janet Lam ein: Sie singt in einer Band, der auch drei andere Polizistengattinnen angehören. Im Hause Lee kümmert sie sich laut ihrem Mann vor allem "um den Haushalt", wofür er ihr nach der Wahl dankte. Gegner hingegen stellen ihn selbst als treuen Haushaltshelfer dar – jenen Pekings. Sie nennen ihn "Pikachu" – auch weil der Name des Pokémon ähnlich klingt wie sein chinesischer Name Lee Ka-chiu. (Manuel Escher, 4.7.2022)