Der steirische Herbst hat mit Ein Krieg in der Ferne. Prolog einen Kanal in das Auge des Sturms gelegt – schwer zu beobachten und dennoch wichtig zu sehen. Ukrainische Kunstschaffende ermöglichen mit ihren Arbeiten ein Eintauchen in die Vor- und Gegenwartsgeschichte des Ukraine-Krieges, des Verbrechens wider die Menschlichkeit.

Das Wandeln im Schatten der Installationen ist bedrückend, man kann sie kaum ertragen, man sollte sie ertragen können: Archivmaterial, Dokumentationen, Bilder aus einem anonymen Telegram-Kanal, dessen letzte Bilder die Evakuierung aus Mariupol zeigen, künstlerische Interventionen. Aspekte des vielarmigen Tieres namens Krieg werden in unterschiedlicher und niederschmetternder Weise vor das Auge der Betrachtenden geführt, die oft keine Vorstellung mehr haben von der Gewalt, dem Entsetzen und der Zerstörung, die eine solche "spezielle Militäroperation" so mit sich bringt.

Die Zerstörung die eine "spezielle Militäroperation" mit sich bringt, wie hier in Mariupol, ist vielen nicht bewusst.
Foto: APA/AFP/STRINGER

Das stille Porträt einer 72-jährigen Geflüchteten, die alles verloren hat, ein Stück Treibholz in europäischen Fluten. Eine seltsam poetische Arbeit mit Animationen von Blumen und Blut, aus Frauentaubenkörpern quellend. Schreckliches Schreien, das wie wahnsinniges Lachen anmutet: Ein Film aus 1929 thematisiert Gasangriffe im Ersten Weltkrieg, es ist das älteste Werk der Schau. Diese Zeitreise ist düster. Sie ist aber unverzichtbar in ihrer Stille und ihrer Bildkraft. Nein. Dieser Krieg ist nicht fern. (Julya Rabinowich, 3.7.2022)