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Einen Monat nach den gelungenen Platinfeiern zum 70. Thronjubiläum der Queen richtet sich die Aufmerksamkeit der Briten und ihrer Medien verstärkt auf die nachfolgende Generation, nicht zuletzt den zunehmend als Prinzregent agierenden Thronfolger Charles. Neben herzigen Anekdoten über die Begegnungen des 73-jährigen mit seinen mittlerweile fünf Enkelkindern spielen dabei wieder einmal das unkonventionelle Finanzgebaren sowie die politische Einflussnahme des Prinzen eine Rolle. Schon sehen Charles' Verteidiger eine Kampagne am Werk: "Er ist ganz offenkundig ein ehrlicher und am Wohl der Gesellschaft interessierter Mann", beteuert der einflussreiche Kolumnist Matthew Parris.

Pikanterweise schreibt der frühere konservative Unterhaus-Abgeordnete unter anderem für die "Times", während Zweifel an Charles' Lauterkeit zuletzt vor allem deren Schwesterblatt "Sunday Times" (ST) zu säen versuchte. Beide Zeitungen gehören zum Medienimperium des US-Australiers und überzeugten Republikaners Rupert Murdoch.

Millionenspenden in bar aus Katar

Vor Wochenfrist hatte die Sonntagszeitung die Öffentlichkeit mit der Nachricht erschreckt, der Prinz habe mehrfach persönlich Millionenspenden des damaligen Premierministers von Katar angenommen. Dabei brachte Haban ibn Dschasim zu seinen Treffen mit Charles gern jeweils eine Million Euro in bar mit. Einmal waren die Banknoten in einem Koffer untergebracht, ein anderes Mal dienten Plastiktüten des Luxuskaufhauses Fortnum&Mason als Geldbehälter. Bedienstete des Prinzen zählten die Scheine und übergaben sie der Privatbank Coutts, die sich seit Jahrhunderten um die Finanzgeschäfte der Royals kümmert.

Alle Spenden, die aus den Jahren 2011 bis 2015 datierten, seien vom Prinzen ohne Verzug an seine Stiftung übergeben worden, ließ Charles' Büro mitteilen. Mit einem Netzwerk von Stiftungen unterstützt der Thronfolger zahlreiche karitative Vorhaben. Das Eintreiben von Spenden bei einheimischen und ausländischen Geschäftsleuten betrachtet er als vornehme Aufgabe. Aber Bargeld? Aufgeschreckt von den Negativschlagzeilen teilte der Palast später kleinlaut mit, Cash-Spenden würden inzwischen nicht mehr angenommen.

Rachefeldzug von Johnson?

Charles' Verteidiger sehen in den Veröffentlichungen der Murdoch-Postille einen Rachefeldzug von Premier Boris Johnson. Dieser habe sich darüber geärgert, dass der Thronfolger das Vorhaben der Regierung, Asylbewerber nach Ruanda abzuschieben, "entsetzlich" finde. In der negativen Beurteilung des umstrittenen und vom Gericht vorläufig gestoppten Vorhabens ist sich der Prinz mit der Spitze der anglikanischen Staatskirche einig.

Gegen die Rachetheorie spricht die Tatsache, dass schon seit längerem die Stiftungsaufsicht Charity Commission sowie die Londoner Polizei Vorwürfe gegen den langjährigen engen Charles-Vertrauten Michael Fawcett untersuchen. Dieser soll als Gegengeschäft für Millionenspenden an die Prinzliche Stiftung einem saudischen Geschäftsmann den Ritterschlag, womöglich sogar die britische Staatsbürgerschaft versprochen haben. Prinz Charles habe von den Vorgängen nichts gewusst, hieß es dazu im Palast.

Orden für reiche Gönner

Dass der Thronfolger schwerreiche Gönner gern mit Orden behängt, ist hinlänglich bekannt. Die jüngste Ausgabe der "Sunday Times" liefert dafür das Beispiel des Geschäftsmanns David Brownlow, der ein Lieblingsprojekt des Prinzen mit mehreren Millionen Pfund unterstützte und dafür als "Kommandeur des königlichen Victoria-Ordens" (CVO) geehrt wurde. Weil Brownlow außerdem der konservativen Regierungspartei drei Millionen spendete und als Schatzmeister diente, machte ihn die damalige Premierministerin Theresa May zum Lord im Oberhaus.

Immerhin dürften Charles' Begegnungen mit geltungsbedürftigen Millionären und Milliardären aus aller Welt in Zukunft schon deshalb weniger werden, weil der Prinz zunehmend Aufgaben als Staatsoberhaupt übernehmen muss. Diese konstitutionelle Rolle fällt seiner 96-jährigen Mutter wegen ihrer Wirbelsäulenprobleme zunehmend schwerer. Der persönliche Auftritt der Queen beim Jahresempfang im Edinburgher Königspalast von Holyroodhouse vergangene Woche stellte eine Ausnahme dar.

Charles als Queen-Vertreter

Schon im Mai war Charles ganz offiziell als Queen-Vertreter zu besichtigen: Da verlas er im Namen der Monarchin die Thronrede, mit der die Regierung zu Beginn jeder neuen Parlamentsperiode ihre Gesetzesvorhaben vorstellt.

Unter dem Eindruck der zunehmenden Hinfälligkeit Ihrer Majestät wurde jetzt deren "Stellenbeschreibung" loser formuliert. Listete der Jahresbericht des Buckingham-Palastes bisher die formalen Aufgaben der Königin explizit auf, so begnügt sich die neue Ausgabe mit der Formulierung, ihre Rolle umfasse "eine Reihe von parlamentarischen und diplomatischen Pflichten". Ausdrücklich ist von der alljährlichen Parlamentseröffnung nicht mehr die Rede. Auch wird nur noch der "Empfang" ausländischer Staatsoberhäupter aufgeführt. Letzteres stellt eine Anpassung an die Realität dar, Elizabeth II hat seit Jahren keine Staatsbesuche mehr absolviert. Zuletzt leitete Charles den Commonwealth-Gipfel im zentralafrikanischen Ruanda. (Sebastian Borger aus London, 4.7.2022)