Klaus Luger sieht die Bundes-SPÖ aktuell in einer Phase der "Neuorientierung".

Alexander Schwarzl

Der kleine Schwarze darf im roten Büro nicht fehlen. Klaus Luger geht mit einem Espresso am großen Besprechungstisch in seinem Büro im Alten Rathaus direkt am Hauptplatz in den Tag. Das offene Regal im Hintergrund zeugt mit mehreren Fußbällen und einem FC-Blau-Weiß-Linz-Schal von der wahren Leidenschaft des Linzer Stadtoberhaupts.

STANDARD: Aktuell steigt die Zahl der Corona-Neuinfektionen wieder sehr rasant an. Haben Sie das Gefühl, dass wir entsprechend gut vorbereitet in den Herbst gehen?

Luger: Von Regierungsseite ist explizit nichts vorbereitet. Objektiv ist die Performance der Regierung bereits seit Juni 2020 deutlich schlechter geworden. Einfach nur chaotisch. Und die Impfpflicht steht symbolisch für den Schlingerkurs, der gefahren wird. Wir erleben ja aktuell eine groteske Situation. Ich bin 30 Jahre Kommunalpolitiker – und zum ersten Mal haben wir vom Bund auf Verdacht Geld bekommen. Nämlich 1,9 Millionen Euro für eine Impfkampagne. Ich wüsste nur nicht, mit welchem Inhalt die Kampagne über die Bühne gehen soll.

STANDARD: Was, glauben Sie, wäre jetzt sinnvoll?

Luger: Es geht um die zentralen Fragen, und daran scheitert die Regierung mit Antworten: Welche Impfstoffe stehen zur Verfügung, welche Einschätzungen gibt es bezüglich Mutationen. Und die große Verunsicherung: Pfizer sagt selbst, dass der vierte Stich bei den derzeitigen Mutationen nicht gegen Ansteckungen, nur gegen schwere Verläufe hilft. Was ist die Strategie der Regierung, was wird empfohlen?

STANDARD: Aber was ist Ihr Lösungsansatz?

Luger: Bei uns ist es derzeit so, dass der Anteil derjenigen, die formal einen vollständigen Impfschutz haben, bei 55 Prozent liegt. Wir werden erleben, dass die Quote bis August auf 40 Prozent sinkt. Wir steuern also auf eine Situation zu, die – sollte eine aggressivere Variante kommen – wir bereits hatten. Hohe Infektionszahlen mit vollem Druck auf die Spitäler. Man kann der Regierung nicht vorwerfen, dass sie nicht weiß, wie sich eine Virusmutation auswirkt. Was ich ihr sehr wohl vorwerfe, ist, dass man für die Varianten im Herbst keine Krisenstrategien hat. Die Regierung behirnt es nicht, welche Möglichkeiten es gibt – und was zu tun ist. Wir gehen strategie- und planlos in den Herbst. Und Gesundheitsminister Rauch ist leicht überfordert. Nicht nur in der Pandemiefrage.

STANDARD: Wechseln wir zu Ihrer Partei. Sie waren immer ein scharfer Kritiker der SPÖ. Diese sei nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft verankert, inhaltlich zu schwammig. Orten Sie da mittlerweile eine Besserung?

Luger: Auf Landesebene ist mit dem neuen Team rund um Michael Lindner sicher eine Richtungsänderung spürbar. Es wurden auch Inhalte genannt. Und das habe ich jahrelang vermisst. Etwa ein Bekenntnis zur Industrie, zur Digitalisierung, die Gleichberechtigung von Frauen ...

STANDARD: Aber Sie sitzen auch im Bundesparteivorstand. Lässt sich dieser Aufwind auf den Bund umlegen?

Luger: Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie man die SPÖ positionieren kann. Eine sehr traditionell linke Position und eine sehr pragmatische Positionierung – wie sie der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig etwa auch verfolgt.

STANDARD: Wo steht da Parteichefin Pamela Rendi-Wagner?

Luger: Sie versucht die Lager zusammenzuhalten. Was auch Aufgabe der Chefin ist. Aber Rendi-Wagner ist sicher eine sehr pragmatische Politikerin. Generell versucht die SPÖ eine Neupositionierung: Wir haben zum Beispiel kapiert, dass das Thema Verlust der Lebensqualität durch Inflation und sinkende Einkommen weit über die finanziell Schwächsten der Gesellschaft hinausgeht. Die Forderungen der SPÖ zielen völlig auf den Mittelstand ab.

STANDARD: Aktuell liegt die SPÖ in den Umfragen bei etwa 30 Prozent. Aber ist man nicht im Aufwind, weil die Regierung eine Dauerflaute erlebt?

Luger: Auch. Die Leute haben die Nase endgültig voll von dieser Bundesregierung. Chaos, Korruption. Diese Regierung hat sämtlichen Kredit verspielt.

STANDARD: Manche Sozialdemokraten wollen sich aber mit dem eigenen Aufschwung offensichtlich partout nicht abfinden. Im roten Dunstkreis gibt es Sehnsucht nach einer neuen linken, "progressiven" Partei. Für Sie nachvollziehbar?

Luger: Eines vorweg: Rendi-Wagner ist als Parteichefin absolut gefestigt. Querschüsse vom burgenländischen Landeshauptmann Doskozil halte ich für sehr entbehrlich. Diese Querschüsse reißen in der Gesellschaft angesichts viel größerer Probleme niemanden vom Hocker. Doskozil stellt sich damit selbst ins Parteieck.

STANDARD: Noch einmal – wie groß ist die Sehnsucht in der SPÖ nach einem Linksruck?

Luger: Ich orte kein gesteigertes Interesse in der SPÖ an einem Linksruck. Aber wenn jemand eine Partei verlassen will, soll man ziehende Karawanen nicht aufhalten. Österreich ist aber – im Gegensatz zu Frankreich, Spanien oder Italien – kein Land, in dem Linksparteien erfolgreich sind. Und wenn in diesem Zusammenhang Christian Kern genannt wird, amüsiert mich das. Kern wurde als neoliberal eingestuft, jetzt soll er eine Linkspartei gründen. Da muss man die Kategorie Links hinterfragen. (Markus Rohrhofer, 5.7. 2022)