
Jörg Leichtfried sieht "im Regierungsentwurf bei den Regeln zur Korruptionsbekämpfung noch einige Schwächen und Lücken".
Wien – Die Koalition hat die SPÖ erfolgreich überrumpelt. Seit Wochen verhandeln die Regierungsparteien mit der Opposition über eine möglichst breite Zustimmung zur Reform des Parteiengesetzes. Vergangene Woche war die Sozialdemokratie mit einer neuen Bedingung für ihre Zustimmung in die Verhandlungen gegangen: Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker müsse neu gewählt werden, sobald das Gesetz in Kraft tritt. Davon ist die Partei nun aber wieder abgerückt: Sie wird dem Gesetz in der Abstimmung im Nationalrat am Donnerstag zustimmen. Damit hat Türkis-Grün die Zweidrittelmehrheit, die sie zwar nicht braucht, aber gerne hätte.
"Es ist vollbracht", sagte Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer nach der Sitzung des Verfassungsausschusses am Montag. VP-Verhandler Andreas Ottenschläger bedankte sich für "faire Rahmenbedingungen, insbesondere mit den Neos". Vorausgegangen waren der koalitionären Erleichterung zuletzt turbulente Verhandlungen.
Was war passiert? Auf die Forderung nach Krakers Ablöse (und Wiederwahl) folgte zunächst Empörung bei ÖVP, Grünen und Neos. Die SPÖ hatte argumentiert: Wenn der Rechnungshof künftig mehr Kompetenzen bekommt und seine Präsidentin oder sein Präsident künftig deshalb mit Zweidrittelmehrheit statt mit einfacher Mehrheit gewählt wird, dann muss die aktuelle Präsidentin ebenfalls mit dieser zusätzlichen Legitimation ausgestattet sein.
Zähneknirschende Zustimmung
Wenige Stunden später kam dann aber die verhandlungstaktische Wende: ÖVP und Grüne verlauteten, dass die wichtigsten Punkte im Paket gar keiner Zweidrittelmehrheit bedürften – und dass sie das Gesetz im Fall der Fälle auch ohne SPÖ, FPÖ oder Neos beschließen würden. Bis dahin hatten Vertreterinnen und Vertreter der Regierungsparteien zumindest nicht widersprochen, wenn davon ausgegangen wurde, dass eine Verfassungsmehrheit nötig sei.
Die SPÖ hatte nun zusätzlich ein Problem: So gut wie alles, was sie in das Reformpaket hineinverhandelt hatte, muss tatsächlich mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Weil sie sich sonst von all ihren Erfolgen hätte verabschieden müssen, stimmt sie dem Gesetz nun also zähneknirschend zu.
Umgehungen "weiterhin möglich"
SPÖ-Verhandler Jörg Leichtfried verweist etwa auf die Bestellung der RH-Präsidentin mit Zweidrittelmehrheit, mehr Prüfrechte für Parlament und Rechnungshof und eine Art "Informationsfreiheitsgesetz light", das die automatische Veröffentlichung von Studien der öffentlichen Hand vorschreibt. "Diese wollen wir umgesetzt wissen und werden den Beschluss daher unterstützen", sagt Leichtfried.
Gleichzeitig aber "sehen wir im Regierungsentwurf bei den Regeln zur Korruptionsbekämpfung noch einige Schwächen und Lücken. Denn aus der ÖVP und ÖVP-Ministerien bekannt gewordenen Fälle von Umgehungen, Missbrauch von Steuergeld und Wahlkampfkostenüberschreitung wären durch das neue Parteiengesetz weiterhin möglich", sagt Leichtfried. Hier werde es auch in Zukunft Verbesserungen brauchen. Dem Vernehmen nach überlegt die SPÖ eine getrennte Abstimmung über jene Bereiche des Pakets, mit denen sie unzufrieden ist – um ihren Widerspruch zumindest parlamentarisch festzuhalten. Am erfolgreichen Beschluss der Reform würde das freilich nichts ändern.
Koalition zufrieden
Bereits am Montag nach dem Beschluss im Verfassungsausschuss zeigten sich die Regierungsparteien erfreut: "Es ist vollbracht, wir haben die gläsernen Parteikassen beschlossen – mit einer Zweidrittelmehrheit", sagte die grüne Klubchefin Sigrid Maurer: "Vier Parteien bekennen sich ganz klar zur Transparenz."
Bei parteinahen Vereinen will man sich noch Zeit lassen. Dieser Bereich sei komplex, seien doch schnell kleiner Vereine wie die Freiwillige Feuerwehr mit erfasst. Hier brauche es eine "praxistaugliche Lösung" und keinen "Schnellschuss", argumentierte ÖVP-Mandatar Andreas Ottenschläger. Mauerer pflichtete ihm bei. Auch die Opposition habe noch keinen rechtssicheren Vorschlag vorgelegt.
Die Neos stimmten dem Gesetz im Ausschuss nicht zu, unterstützen aber einen Antrag der Regierungsparteien für ein Spendenverbot an Parteiakademien und Klubs. Die FPÖ hat sich gänzlich von den Verhandlungen verabschiedet: Sie wolle keinen "Schnellschuss". (Sebastian Fellner, red, 4.7.2022)