Die Zusammenlegung der Krankenkassen zu einer österreichweiten Gesundheitskasse war eines der Kernvorhaben der türkis-blauen Regierung Kurz I – eine Reform, die zumindest rechtlich bisher gehalten hat. Das gilt manchen schon als Erfolg, weil ja andere Projekte wie die Indexierung der Familienbeihilfe schon allein an – schon seinerzeit absehbaren – Rechtsproblemen gescheitert sind.

Aber sonst? Da war von gigantischen Verwaltungseinsparungen die Rede – das klingt für die Öffentlichkeit immer gut. Jedenfalls besser als das, was türkise und blaue Funktionäre wohl nur im kleinen Kreis argumentiert haben: Mit der Zusammenlegung der Kassen ist der Einfluss der Arbeitnehmervertreter entschieden geschrumpft – was ÖVP und FPÖ wohl recht sein konnte, weil die Arbeitnehmer traditionell von roten Gewerkschaftern vertreten werden.

Die Österreichische Gesundheitskasse ist inzwischen teurer, als es die einzelnen Kassen in Summe waren.
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Das sagt man natürlich nicht allzu laut. Viel besser verkaufen lässt sich, dass man durch Einsparungen eine "Patientenmilliarde" freischaufeln könne. Da kann wohl keiner etwas dagegen haben. Nur ist von dieser Milliarde nichts zu sehen – der Rechnungshof hat sie seit der Reform 2019 nicht finden können. Im Gegenteil: Die Österreichische Gesundheitskasse ist inzwischen teurer, als es die einzelnen Kassen in Summe waren. Der Rechnungshof errechnete einen Mehraufwand von 214 Millionen Euro – ein Sinken der Kosten ist allenfalls ab heuer zu erwarten.

Nun kann man den Verantwortlichen in der Gesundheitskasse zugutehalten, dass die vergangenen zweieinhalb Jahre mit dem pandemiebedingten Aufwand so nicht planbar oder auch nur absehbar gewesen sind, als von der Milliardeneinsparung gesprochen wurde. Und es ist auch unbestritten, dass die Gesundheitskasse im Wesentlichen gute Arbeit im Sinne der Patienten leistet.

Systemumstellung

Angesichts der veränderten Gesamtsituation mag die eine oder andere Straffung in der Verwaltung hintangestellt und der eine oder andere Personalabbau auf spätere Zeiten verschoben worden sein. Geschenkt.

Was aber bleibt, ist eine Milliardenenttäuschung: Versprochen wurde eine Patientenmilliarde – auch wenn die freiheitliche Gesundheitssprecherin sich in der ZiB 2 partout nicht daran erinnern wollte, genau das versprochen zu haben.

Dabei ist es ja nicht nur im Bereich der Gesundheitsreform bekannt, dass eine gut aufgesetzte Reform nicht zum Nulltarif zu haben ist: Erst muss massiv in die Systemumstellung investiert werden, dann gibt es eine Zeitlang Doppelgleisigkeiten – und erst wenn das neu aufgesetzte System fehlerfrei läuft, können Rationalisierungsgewinne auch lukriert werden. Vielleicht sogar in Milliardenhöhe. Doch das geht nicht in vier Jahren, wie es von der türkis-blauen Regierung versprochen worden ist.

Das hätte man auch vor der Pandemie wissen können. Das hätte man auch vor der Pandemie klar aussprechen können. Es hätte halt nicht in den aalglatten Marketingsprech gepasst, mit dem bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die hübsche Summe von einer Milliarde Euro – mal als Patientenmilliarde, mal als Breitbandmilliarde, mal als Gemeindemilliarde etc. – in Aussicht gestellt wurde. Erst wenn der Rechnungshof prüft, fällt auf, dass diese Milliardenbeträge nie angekommen sind. Die verantwortlichen Politiker sind dann oft schon weg. Das Vertrauen der Wählerschaft auch. (Conrad Seidl, 4.7.2022)