Einwegbesteck, Strohhalme und einige weitere Wegwerfartikel stehen seit einem Jahr auf der EU-Verbotsliste. Doch die Alternativen sind nicht immer besser.

Foto: iStock

Bunte, dünne Plastikstrohhalme zu jedem servierten Getränk und auf Kindergeburtstagen sowieso – das war einmal. Der Kunststoffstrohhalm ist einer von mehreren Einwegartikeln, die seit Anfang Juli 2021 in der EU verboten sind. Neben dem Aus für die Trinkhilfe sind auch Einwegbesteck und -teller, Styroporbecher oder Kaffee-Umrührstäbchen von der Richtlinie betroffen.

Weil Lagerbestände noch aufgebraucht werden dürfen, dringen die Alternativen – etwa aus Holz, Papier oder Biokunststoff – erst langsam durch. Auch die Mehrwegversion der verbotenen Artikel, etwa aus Glas oder Metall, ist erst nach und nach anzutreffen. Die Maßnahme gilt vor allem dem Schutz der von Plastik geplagten Weltmeere – weshalb vor allem diejenigen Produkte auf die Verbotsliste gesetzt wurden, die man auf europäischen Stränden besonders häufig gefunden hat.

Doch wie wirkungsvoll ist das Verbot der Wegwerfartikel wirklich? Ein Jahr nach der Einführung gehen die Meinungen weiterhin auseinander. Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie sieht im Einwegplastikverbot ein "sehr klares Signal, dass das Konzept der Wegwerfprodukte nicht länger akzeptiert werden konnte". Die Industrie habe verstanden, dass die EU-Kommission auch zu massiven Eingriffen in den Markt bereit ist – und dass diese von der Bevölkerung auch mitgetragen werden.

Kleine direkte Auswirkungen

Laut einer Studie gelangt durch das Verbot in der EU jährlich nur um 0,06 Prozent weniger Plastikmüll in die Weltmeere. Das liegt auch daran, dass in Europa im Vergleich zu anderen Regionen der Großteil des Abfalls bereits gesammelt wird. "Die direkte Auswirkung ist begrenzt", sagt Benedikt Kauertz vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg. Denn für viele der verbotenen Produkte gebe es ohnehin bereits etablierte Alternativen.

Die Stärke des Verbots sieht er vor allem in den indirekten Auswirkungen. Bereits mit dem ersten Entwurf der Richtlinie habe in der Industrie eine breite Diskussion eingesetzt, die deutlich über das hinausgeht, was die Kommission vorschreibt. Dort wird bereits seit Jahren mit Alternativen zum Wegwerfplastik experimentiert.

Doch genau diese sehen viele Expertinnen und Experten auch kritisch. Denn Kunststoff mag zwar eine Belastung für die Umwelt und die Meere im Speziellen sein, doch ist dieser äußerst leicht. Die Alternativen aus Holz oder Karton haben meist ein deutlich höheres Gewicht. Dabei werde oft außer Acht gelassen, dass auch die Forstwirtschaft die Umwelt belastet. Besonders problematisch sind die Alternativen dann, wenn die Forstwirtschaft nicht nachhaltig betrieben wird und wertvolle CO2-Speicher zerstört werden, sagt Kauertz.

Viele Papierprodukte, etwa Teller, Strohhalme oder Getränkebecher, müssten außerdem erst recht wieder mit Kunststoff beschichtet werden, damit sie nicht aufweichen, was wiederum das Recycling enorm erschwert.

Fragwürdige Alternativen

Auch die Mehrwegalternativen kommen erst einmal mit einem höheren Umweltfußabdruck daher als die Einwegversion. Spätestens aus der ewigen Diskussion um Plastik- oder Stoffsackerln weiß man: Es kommt darauf an, wie häufig Letzteres genutzt wird. Wird ein aufwendig produzierter Glas- oder Metallstrohhalm nach wenigen Nutzungen entsorgt, ist er jedenfalls nicht umweltfreundlicher als die Einwegkunststoffvariante, merkt David Laner, Leiter des Fachgebiets Ressourcenmanagement und Abfalltechnik an der Universität Kassel, an.

Ein größeres Problem für die Weltmeere als Strohhalme sind indessen Fischernetze. Rund ein Viertel allen Plastikmülls auf europäischen Stränden sind Fischernetze. Sie sind besonders gefährlich, da sie auch im verwaisten Zustand das tun, wofür sie gebaut wurden: nämlich Meerestiere fangen. Plastikflaschen sind vom Verbot nicht umfasst, auch wenn die EU schrittweise Recyclingquoten vorschreibt.

Wilts empfiehlt der Politik jedenfalls, nicht nur Einwegprodukte aus Plastik in den Blick zu nehmen, sondern auch "klare Anreize für den Ausstieg aus der Wegwerfgesellschaft zu setzen". Manche Produkte lassen sich gleich ganz vermeiden – etwa indem man den Schluck direkt an der Glaskante ansetzt. (pp, 5.7.2022)