Vertrocknet: 270.000 Landwirtschaftsbetriebe befinden sich in den von der Dürre betroffenen Regionen.

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In Rom kam es am Montag zu einem Großbrand in einem Park.

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Rom – Die italienische Regierung um Premier Mario Draghi hat am Montagabend den Ausnahmezustand wegen der Wasserknappheit in fünf norditalienischen Regionen ausgerufen. 35 Millionen Euro zur Eingrenzung der negativen Auswirkungen der seit Monaten anhaltenden Dürre werden für die Regionen Piemont, Lombardei, Venetien, Friaul Julisch-Venetien und Emilia Romagna lockergemacht, wie es nach einer Ministerratssitzung hieß.

Den größten Betrag – 10,9 Millionen Euro – erhält die Region Emilia Romagna, in der sich die Mündung des Flusses Po befindet. Vor allem Norditalien erlebt derzeit heftige Trockenheit. Wegen der anhaltenden Wasserknappheit könnte der Ausnahmezustand bald auch in den mittelitalienischen Regionen Toskana, Umbrien und Latium beantragt werden.

Salzwasser drang ins Flussbett

Nach Angaben des Bauernverbands Coldiretti befinden sich 270.000 Landwirtschaftsbetriebe in den von der Dürre betroffenen Regionen. "Die Wasserknappheit ist ein nationaler Notstand!", sagte der Chef des Bauernverbands, Ettore Prandini.

Der Wasserstand im Fluss Po – dem längsten Strom Italiens – ging so weit zurück, dass an der Meermündung Salzwasser kilometerweit in das Flussbett drang. Der Pegel ist an manchen Stellen so niedrig wie seit 70 Jahren nicht mehr. Große Seen wie etwa der Gardasee führen deutlich weniger Wasser als normalerweise zu dieser Jahreszeit. Städte wie Pisa und Verona schränkten unlängst die Wassernutzung ein. Venedig und Mailand drehten einen Teil der Brunnen ab.

Extreme Dürre

Weite Teile Italiens erleben seit Wochen eine Dürreperiode und extreme Hitze. Trockenheit und starke Winde fachen deshalb immer wieder Wald- und Buschbrände an. Auf der beliebten Ferieninsel Sizilien gilt in vielen Provinzen die höchste Waldbrand-Warnstufe, etwa um Palermo und Messina.

In Rom kam es am Montag erneut zu einem Großbrand. Einsatzkräfte mussten Kinder aus zwei Sportzentren evakuieren. Der Brand brach in einem Park im Nordwesten der Stadt, wenige Kilometer vom Vatikan entfernt, aus, wie die Feuerwehr am Montagabend mitteilte. Ein Hubschrauber unterstützte die Einheiten auf dem Boden bei den Löscharbeiten. Im Zentrum der Stadt regnete es zum Teil Asche vom Himmel, und eine hohe Rauchsäule war zu sehen. Mehrere Wohnhäuser wurden laut Medien evakuiert.

Der Zivilschutz meldete am Montagabend je fünf Anfragen für Unterstützung durch Löschflugzeuge aus Sizilien und dem Latium, das die Hauptstadt Rom umgibt. Weitere Bitten kamen aus dem süditalienischen Kalabrien, Apulien und Venetien. Fünf Brände seien unter Kontrolle gebracht worden, teilte die Behörde mit.

Rekorddürre in Spanien und Portugal

Die Dürre betrifft nicht nur Italien. Teile von Spanien und Portugal sind so trocken wie seit mehr als tausend Jahren nicht mehr. Grund dafür ist eine durch den Klimawandel ausgelöste Veränderung des Azoren-Hochdruckgebiets, wie es in einer am Montag in der Fachzeitschrift "Nature Geoscience" veröffentlichten Studie heißt, die vor schwerwiegenden Folgen für die Wein- und Olivenproduktion warnt.

Das Azorenhoch, ein Hochdruckgebiet im Atlantik, hat großen Einfluss auf das Wetter und langfristige Klimatrends in Westeuropa. Im Sommer schickt das Azorenhoch heiße, trockene Luft nach Portugal, Spanien und Frankreich. Im Winter sorgt es für Feuchtigkeit und Niederschläge. Die winterlichen Niederschläge sind laut den Autoren der Studie "lebenswichtig" für die ökologische und ökonomische Gesundheit der Iberischen Halbinsel.

Veränderungen "beispiellos"

Anhand von Klimamodellierungen der vergangenen 1.200 Jahre haben US-Forscher nun herausgefunden, dass sich das Hochdrucksystem im vergangenen Jahrhundert "dramatisch verändert hat" und "dass diese Veränderungen des nordatlantischen Klimas innerhalb des letzten Jahrtausends beispiellos sind".

Demnach begann das Hochdrucksystem vor etwa 200 Jahren, als die Treibhausgase zunahmen, sich auf eine größere Fläche auszudehnen. Im 20. Jahrhundert dehnte es sich durch die globale Erwärmung noch stärker aus. Die Niederschlagsmengen hingegen gingen zurück – die Winter im westlichen Mittelmeerraum sind trockener geworden.

Noch weniger Niederschlag erwartet

Frühere Studien hatten nicht zeigen können, ob der menschengemachte Klimawandel für die Veränderungen des Klimas im Nordatlantik verantwortlich ist – nun haben die Autoren nach eigenen Angaben den Zusammenhang festgestellt.

Das Azorenhoch wird sich im 21. Jahrhundert durch den Klimawandel noch weiter ausbreiten. Bis Ende des Jahrhunderts werden die Niederschläge in der Region voraussichtlich um weitere zehn bis 20 Prozent sinken, was verheerende Folgen für die Landwirtschaft haben könnte.

Die Weinbaugebiete auf der Iberischen Halbinsel könnten bis 2050 um mindestens ein Viertel schrumpfen. Die Olivenernte in Südspanien könnte früheren Studien zufolge bis 2100 um 30 Prozent zurückgehen. (APA, 4.7.2022)