2021 QM1 wird am 2. April 2052 an unserem Planeten vorüberziehen. Die Folgen eines Treffers hätten zumindest über bewohntem Gebiet durchaus katastrophal sein können.
Illustr.: Nasa/red

Am 28. August 2021 identifizierten Forschende auf Bildern des Mount Lemmon Observatory nördlich von Tucson, Arizona, einen bis dahin nicht bekannten Asteroiden. Zunächst war die Entdeckung keine große Sache, immerhin wird jede Nacht ein gutes Dutzend größerer und kleinerer erdnaher Weltraumfelsen registriert, nicht zuletzt dank automatisierter Beobachtungen durch Anlagen rund um den Globus.

Routinemäßige Folgebeobachtungen erkannten in dem Brocken mit der Bezeichnung 2021 QM1 einen Angehörigen der sogenannten Apollo-Gruppe und grenzten seinen wahrscheinlichen Durchmesser auf 50 bis 80 Meter ein. Apollo-Asteroiden umkreisen die Sonne in einem Abstand, der sie die Erdbahn kreuzen lässt.

Immer gefährlicher

Dies ist auch bei 2021 QM1 der Fall – aber nicht nur das: Je länger der Asteroid mit einer Umlaufzeit von 691 Tagen unter Beobachtung stand, desto mehr kristallisierte sich heraus, dass er in naher Zukunft auf unserem Planeten einschlagen könnte. "Wir konnten aus den Daten seine künftigen Bahnen um die Sonne prognostizieren, und daraus ergab sich, dass der Asteroid im Jahr 2052 der Erde gefährlich nahe kommen würde", berichtet Richard Moissl, Leiter der planetaren Abwehr bei der Europäischen Weltraumagentur ESA.

Die errechneten Bahnprojektionen zeigten, dass sich 2021 QM1 der Erde im Jahr 2038 stark annähert, was seine Flugbahn in einer Weise verändern würde, die eine Kollision mit ihm am 2. April 2052 durchaus wahrscheinlich erscheinen ließ – zumindest nach astronomischen Maßstäben. Die Chancen dafür waren auf 1 zu 3.322 geschätzt worden, was 2021 QM1 einen Spitzenplatz in der Liste jener Himmelskörper eintrug, die für unseren Planeten eine potenzielle Bedrohung darstellen.

Der Asteroid 2021 QM1 musste vor einem Hintergrund aus Tausenden von Sternen entdeckt werden. Sein Pfad über den Nachthimmel ist hier mit roten Kreuzen markiert.
Foto: ESO/O. Hainaut

Doppelt so groß wie der Tscheljabinsk-Asteroid

Und bedrohlich wäre der Einschlag eines solchen über 50 Meter großen Brockens über bewohntem Gebiet durchaus: Jener Asteroid, der am 15. Februar 2013 dreißig Kilometer über der russischen Stadt Tscheljabinsk explodierte, war mit einem Durchmesser von 22 Metern weniger als halb so groß. Damals richtete der größte bekannte Meteor seit über 100 Jahren Schäden an über 3.000 Gebäuden an. 1.500 Personen wurden bei dem Ereignis verletzt, hauptsächlich durch umherfliegendes Glas.

Einen solchen potenziellen Treffer muss man also sehr ernst nehmen. Da die Risikobewertung von 2021 QM1 zunächst auf den Ergebnissen nur weniger Beobachtungsnächte basierte, benötigten die Astronominnen und Astronomen zusätzliche Daten, um den Gefährdungsgrad exakter bestimmen zu können. Dies stellte sich jedoch als schwierige Aufgabe heraus: Weil sich 2021 QM1 auf seiner Bahn von der Erde aus gesehen der Sonne näherte, waren die Forschenden zu einer mehrmonatigen Beobachtungspause gezwungen.

Kosmische Nadel im Heuhaufen

Erst im Mai 2022 hatte sich der Brocken wieder weit genug von der Sonne entfernt, um zumindest theoretisch wahrgenommen werden zu können. Zu diesem Zeitpunkt betrug die scheinbare Helligkeit des Asteroiden 27 – damit war er gut 250 Millionen Mal weniger hell als jene Sterne des Nachthimmels, die gerade noch mit bloßem Auge erkennbar sind. Zu allem Überfluss erstreckte sich im Hintergrund von 2021 QM1 das helle Band der Milchstraße. Die Forschenden standen also vor der schier unlösbaren Aufgabe, einen winzigen, fast unsichtbaren Punkt vor einem Meer aus Zehntausenden viel helleren Sternen zu identifizieren – die kosmische Nadel im Heuhaufen schlechthin.

Das VLT-Bild von 2021 QM1 entstand in der Nacht zum 24. Mai 2022 und ist im Grunde eine Kombination mehrerer Aufnahmen, bei der zudem die Hintergrundsterne herausgerechnet wurden.
Foto: ESO/O. Hainaut

2021 QM1 verschwindet von der Risikoliste

Dem Einsatz des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile, eines der mächtigsten irdischen Teleskope, ist es zu verdanken, dass dieses Kunststück gelang und 2021 QM1 tatsächlich fotografiert werden konnte. Der Aufwand und das Warten haben sich letztlich gelohnt, denn die neuen Daten ermöglichten es den Astronomen, die Umlaufbahn des häusergroßen Asteroiden mit der notwendigen Exaktheit zu berechnen – mit einem beruhigenden Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass uns 2021 QM1 auf den Kopf fällt, geht nun gegen null, der Brocken wird uns 2052 mit ziemlicher Sicherheit verfehlen und wurde deshalb wieder von der Liste der potenziell gefährlichen Asteroiden gestrichen.

Das muss jedoch nicht für all die bisher noch unbekannten Asteroiden in unmittelbarer Erdnähe gelten. Trotz ausgefeilter Technik bleiben viele dieser Brocken unentdeckt, bis sie knapp an uns vorbeizischen. 2018 etwa lagen zwischen der Entdeckung eines bis zu 110 Meter großen Asteroiden und seinem Vorüberflug in weniger als 200.000 Kilometern Abstand (das ist die Halbe Distanz zwischen Erde und Mond) gerade einmal 21 Stunden – und dabei kam das Objekt noch nicht einmal aus Richtung der Sonne, was seine frühzeitige Entdeckung erst recht unmöglich gemacht hätte. (tberg, 5.7.2022)