Laut dem Gericht seien "Mütter unter allen Lebensumständen Quelle des Schutzes ihrer Kinder". Das sei im gegenständlichen Prozess nicht der Fall gewesen.

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San Salvador – Im streng katholischen El Salvador ist eine Frau, die nach der Geburt ihres Kindes einen medizinischen Notfall erlitt, wegen des Todes des Neugeborenen zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Organisation Acdatee, die sich für das Recht auf Abtreibungen einsetzt, erklärte am Montag, damit sei zum ersten Mal in der Geschichte des zentralamerikanischen Landes eine Frau in einem solchen Fall zur Höchststrafe wegen "schwerer Tötung" verurteilt worden.

Neugeborenes starb wenige Stunden nach Geburt

Die in ärmlichen Verhältnissen in einer Bauernfamilie lebende 23-Jährige hatte im Juni 2020 nach plötzlich einsetzenden Wehen in einer Latrine ihr Kind auf die Welt gebracht. "Ich habe gespürt, dass etwas aus mir herauskommt, es war dunkel, und ich habe nicht gesehen, was ich ausstieß", sagte sie später nach Angaben von Acdatee.

Die junge Frau geriet in Panik und musste in ein Krankenhaus gebracht werden, wo ihr drei Bluttransfusionen gegeben wurden. Das Neugeborene starb nach Angaben der Staatsanwaltschaft wenige Stunden nach der Geburt. Die Schwangerschaftsdauer hatte demnach zwischen 37 und 40 Wochen betragen.

Die Behörden warfen der Frau vor, dem Kind nach der Geburt sechsmal in den Hals gestochen zu haben. Eine Sprecherin der NGO erklärte, die Frau habe nach der Geburt versucht, die Nabelschnur selbst zu durchtrennen, aber es sei dunkel gewesen und das Haus habe keinen Strom gehabt.

Das Gericht begründete das Urteil nach Angaben von Acdatee unter anderem mit dem Satz: "Mütter sind unter allen Lebensumständen Quelle des Schutzes ihrer Kinder, und Sie waren es nicht."

Erstmals Höchststrafe

Im extrem konservativen und streng katholischen El Salvador sind Abtreibungen in allen Fällen verboten. Für einen Schwangerschaftsabbruch kann eine Frau mit bis zu acht Jahren Gefängnis bestraft werden.

Richter verurteilen Frauen, denen eine Abtreibung zur Last gelegt wird oder bei denen es wegen eines Unfalls zu einer Totgeburt kommt, aber immer wieder wegen "schwerer Tötung". Darauf steht eine Höchststrafe von 50 Jahren.

Nun wurde laut Acdatee erstmals die Höchststrafe nach einer solchen Verurteilung gegen eine Frau verhängt. Die Organisation kündigte an, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. (red, Reuters, APA, 5.7.2022)