Flüssiggas (LNG) könne in Europa nur beschränkt russisches Gas ersetzen, sagt die Internationale Energieagentur.

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Wien/Paris/Kiew – Heuer wird der weltweite Erdgasverbrauch zwar geringfügig zurückgehen – in den nächsten Jahren aber wieder steigen, erwartet die Internationale Energieagentur (IEA). Der Anstieg wird zwar deutlich langsamer ausfallen als noch vor einem Jahr erwartet. Das führt aber nicht zu einer schnelleren Dekarbonisierung der Wirtschaft, betont die IEA. Denn der geringere Gasverbrauch hat viel damit zu tun, dass der Umstieg von Öl oder Kohle zu Gas aufgeschoben wird.

Gegenseitige Abhängigkeit

Die IEA hebt in ihrem am Dienstag veröffentlichten Quartalsbericht hervor, dass Europas Abhängigkeit von russischem Gas erst vor kurzem massiv gestiegen ist. Kamen noch bis 2013 rund 30 Prozent des Gasverbrauchs in der EU aus Russland, stieg dieser Anteil – trotz der Invasion der Krim durch Russland im Jahr 2014 – bis ins Jahr 2019 auf 47 Prozent. Dabei blieb der Verbrauch der EU stabil, aber die Eigenproduktion fiel ab 2010 um zwei Drittel. Diese Lücke wurde durch Importe gefüllt. Im Gegenzug ist aber auch Russland von den Gasimporten in die EU abhängig – die Region nahm rund 60 Prozent der russischen Exporte dieses Energieträgers ab und sorgte für 70 Prozent der Einnahmen.

Für Europa gibt es nun aus Sicht der IEA einige Möglichkeiten, russisches Gas zu ersetzen. Flüssiggas (LNG) kann diese Aufgabe aber nur beschränkt leisten. Denn der Bedarf wächst viel schneller, als neue Kapazitäten zur Herstellung von Flüssiggas gebaut werden können. Es wirkt sich nun aus, dass in den 2010er-Jahren wegen des niedrigen Gaspreises keine Investitionen angegangen und in der Covid-Pandemie Investitionen ausgesetzt wurden. Deshalb würde bis 2025 der Versuch der EU, mehr als 120 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr zu importieren, Engpässe am weltweiten Markt auslösen. Das würde wiederum die Preise hinauftreiben und Russland höhere Gaseinnahmen bescheren.

Starker Einbruch des Gasverbrauchs

In ihrer aktuellen Prognose geht die IEA davon aus, dass die russischen Gaslieferungen heuer auf 25 Prozent des EU-Verbrauchs fallen werden. Bis 2025 geht die IEA von einem Rückgang der russischen Gaslieferungen um 55 Prozent im Vergleich zu 2021 und einem Rückgang von russischem Gas auf 20 Prozent des EU-Bedarfs aus. Bis 2027 könnte damit der Ausstieg aus russischem Gas gelingen – aber vor allem wenn Russland den Gashahn abdreht, könnte das auch viel schneller geschehen. (APA, 5.7.2022)