Blick von einer Besucherloge auf die Gemeinderatsitzung.

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Das Stadttheater in Gmunden.

Foto: Tourismusverband Traunsee-Almtal/Karl-Heinz Ruber

Rückendeckung: Blick aus der Loge des Stadttheaters in Gmunden.

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Die Arena der Demokratie in Gmunden besteht aus drei Etagen, einer Popcornmaschine und einem mächtigen entstaubten Kronleuchter. Der Gemeinderat der Stadt am Traunsee trifft sich derzeit im Stadttheater. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist der enge Sitzungssaal im Rathaus zu klein, zu unsicher. Tröpfcheninfektion, Sie kennen das.

Im Stadttheater ist mehr Platz. Auf der Homepage wird es als "ein architektonisches Juwel aus der Gründerzeit" bezeichnet. Das ist keine Übertreibung, zumindest keine maßlose. Der Raum wirkt dunkel, die Sitze haben weinrote Bezüge. Zum Trinken gibt es selbstverständlich keinen Zweigelt, sondern Mineralwasser aus kleinen Glasflaschen. Das Stadttheater feiert heuer sein 150-jähriges Bestehen. Im Jahr 1897 wurde Arthur Schnitzlers "Freiwild" in diesem Haus uraufgeführt, 125 Jahre später sind vier Gemeinderatsitzungen angesetzt. Die zweite davon fand am Montagabend statt.

Das Theater hat schon spannendere Bühnenbilder gesehen. Zwei Tische, ein Pult für Wortmeldungen, eine Projektionsleinwand. Glücklicherweise wird auch in Gmunden die Politik nicht an Bildern gemessen. Die ersten drei Sitzreihen gehören der ÖVP. Sie holte bei der Wahl 2021 knapp mehr als 43 Prozent der Stimmen, daher sitzen 16 ÖVP-Abgeordnete im Theater. Eine Reihe bleibt frei, dann kommen sieben Mitglieder der Grünen, darunter die Vizebürgermeisterin. Im Saal ganz hinten sitzt die SPÖ mit fünf Abgeordneten. Vom Eingang aus gesehen ganz rechts vorne, auf einer Galerie, sitzen fünf Personen der FPÖ-Fraktion, etwas dahinter versetzt vier von den Neos. Ergibt insgesamt 37 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte.

Die besten Plätze gehören der Öffentlichkeit, da ist Gmunden selbstlos: Besucherinnen und Besucher dürfen in die Logen im ersten Stock. Der Bürgermeister sitzt auf der Bühne, er leitet die Sitzung, zwei Mitarbeitende auf seiner rechten Seite achten auf die korrekte Durchführung der Sitzung. Der Anpfiff erfolgt um 17.05 Uhr, auf der Tagesordnung stehen 30 Punkte. Bereit? Los!

  • Am Seeufer soll eine Fläche für eine Fischbrathütte von einer temporären zu einer permanenten Variante umgewidmet werden. Antrag angenommen.
  • Gmunden will mit dem Land Oberösterreich über höhere Gehälter für Bedienstete der Gemeinde reden. Das Problem: Die Stadt findet keine Arbeitskräfte. Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 1995 nicht mehr. Die Wirtschaft bietet höhere Gehälter, die Gemeinde sucht und sucht Personal. Antrag angenommen.
  • Auszug aus dem Finanzplan: Der Ankauf eines Lkws mit Kran und Kipper im Jahr 2024 hat Priorität 8. Es ist die niedrigste. Finanzplan angenommen.
  • Am Rathausplatz braucht es einen Behindertenparkplatz. Gleich neben den Taxiständen. Antrag angenommen.

Sport, Keramik, Uni, Kunst

Der Boden im Stadttheater knarzt, wenn jemand auf die Bühne will. Die Sitzung zieht sich, manche Themen sind nach zwei Minuten erledigt, andere werden bis zu eine Stunde lang besprochen. Es gibt keine Pause. Eine Abgeordnete hat ein Jausenbrot mitgebracht, Erfahrung macht sich bezahlt. Auch auf der Besucherloge hat ein Zuhörer vorgesorgt: Vor der Vorstellung kaufte er sich im Foyer ein Sackerl Popcorn. Das sollte sich auszahlen, es wurde noch actionreich.

Die fünf Fraktionen erfüllen quasi alle ein Klischee. Die FPÖ spricht sich gegen die Einstellung eines Mitarbeiters für das Klimareferat aus. Der Zeitpunkt sei falsch. Die Grünen halten tapfer dagegen: Der Zeitpunkt sei richtig. Weil die Einnahmen im ersten Halbjahr höher als budgetiert ausfielen, will die SPÖ den sozial Schwachen helfen. Die Neos melden sich bei einem Konzept zur Kinderbildung zu Wort, kritisieren Versäumnisse der vergangenen Jahre. Und die ÖVP vermittelt den Eindruck, immer auch ein bisserl ein Auge auf Unternehmerinnen und Unternehmer zu haben.

Bevor eine Fraktion gegen einen Antrag stimmt, führt sie gerne aus, warum. Das passiert höflich, aber bestimmt, mit einer mehr oder weniger gut versteckten Kritik am Antragstellenden. Lob gibt es zunächst für das Projekt "Gmunden.photo", im Stadtgarten wird zeitgenössische Kunst ausgestellt. Die Fläche soll für Kunstzwecke umgewidmet werden. Das sei ein Pilotprojekt, um sich als Kunststadt zu profilieren. Im Jahr 2024 ist das Salzkammergut Kulturhauptstadt Europas. Die Neos finden das Projekt gut, erklären ihre Enthaltung bei der Abstimmung: "Wir waren schon alles: Sportstadt, Universitätsstadt, Keramikstadt, jetzt also Kunststadt. Wir müssen uns besinnen auf das, was wir können."

Kein Stream, kein TV

Das größte Match des Abends heißt Tagesordnungspunkt 26: Die Neos wollen künftig einen Livestream der Gemeinderatssitzungen. Ein Regionalsender würde sie sogar im linearen Fernsehen übertragen. Die Neos argumentieren: Es können nicht alle Menschen persönlich zu einer Gemeinderatssitzung erscheinen, für sie wäre ein Stream hilfreich, Stichwort Inklusion. Auch das Wort Transparenz fällt mehrmals.

Die ÖVP hat etwas dagegen. Die Sitzungen würden in die Länge gezogen, weil sich Mitglieder im TV inszenieren möchten, argumentiert sie. Zudem hätten die Arbeitgeber der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte Bedenken, wenn ihre Angestellten öffentlich auftreten. Welche Bedenken das sind, bleibt unerwähnt, leider fragt auch keine Fraktion nach. Zudem besteht die Sorge, dass vereinzelte "Hoppalas" als Kurzvideo im Internet landen würden, als Bloßstellung der betroffenen Person. Den Punkt kann man gelten lassen.

Ein Gemeinderat der ÖVP wird emotional. Er kritisiert die Grünen für die späte Übermittlung des Antrags, man habe sich nicht ausreichend darauf vorbereiten können. In der Vergangenheit gab es in anderen Punkten exakt die gleiche Kritik an der ÖVP, sagt er. Motto: Wie du mir, so ich dir. Und er klingt fast beleidigt: "Ich kann es nicht mehr hören, dass alles intransparent sein soll."

Niemand aus der ÖVP stimmt für den Antrag, auch Teile der FPÖ enthalten sich. Das Match endet 18:19, Antrag auf Livestreams abgelehnt. Ein ähnlich knappes Ergebnis kennt Gmunden normal nur aus der Basketball-Bundesliga, wenn auch nicht in der Höhe.

Ein Thema, das die ganze Stadt beschäftigt, ist der Toskanapark. Investoren sollen das Naherholungsgebiet beim Schloss Ort gepachtet haben, ohne Einbindung der Stadt. Zudem ist dort ein Parkplatz geplant, wo derzeit ein Wald steht. Der Bürgermeister wechselt auf die persönliche Ebene, um zu beruhigen. "Dort verläuft meine Lieblingslaufstrecke", sagt er. Man solle ihm vertrauen, dass auch er für den Erhalt des Naherholungsgebiet eintritt. DER STANDARD wird das Thema an anderer Stelle ausführlicher behandeln.

Sommerwünsche

Die Mitglieder des Gemeinderats handeln nach bestem Wissen und Gewissen, so macht es zumindest den Eindruck. Im Zweifel halten die Fraktionen zusammen, stimmen gemeinsam ab. Das kann man ihnen übel nehmen, muss man aber nicht. Sie gehen respektvoll miteinander um, deuten an, dass sie diskutieren und streiten können. Dafür wurden sie gewählt. Sie setzen sich in ihrer Freizeit in Ausschüssen und Sitzungen mit Themen auseinander, die zur Entwicklung der Stadt beitragen sollen. Dafür verdienen sie Respekt. Manchmal ist die Lokalpolitik das reinste Theater, das war an diesem Montag nicht der Fall.

"Bevor ich einen Sommer wünsche", sagt der Bürgermeister – dass der Sommer "schön" und vor allem "sitzungsarm" werden soll, fügt er später hinzu –, wolle er einer Lichtgestalt, einer Sonnengestalt gedenken. Schwester Irmentrud ist Ende Juni im Alter von 81 Jahren verstorben. Die ehemalige Volksschuldirektorin setzte sich jahrelang für Arme, Geflüchtete oder in Not Geratene ein. Nach viereinviertel Stunden endet die Gemeinderatssitzung daher mit einer Schweigeminute. (Lukas Zahrer aus Gmunden, 6.7.2022)