Nach einer durchfeierten Nacht inklusive Alkoholkonsum mit dem eigenen Auto zu fahren ist selten eine gute Idee. Für einen 30-jährigen Wiener endete das Vorhaben im März mit einem Totalschaden.

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Wien – Richterin Claudia Zöllner ringt im Prozess gegen Marcel Elcher (Name geändert, Anm.) um grob fahrlässige Körperverletzung und Nötigung gelegentlich um ihre Contenance. Zum Beispiel, als der 30-Jährige sagt, dass er sich nichts dabei gedacht hat, nach einem schweren Autounfall in Wien-Donaustadt mehrere kleine Flaschen Wodka zu trinken, die der Beifahrer dabeihatte. "Es war Ihnen nicht bewusst, dass die Polizei vielleicht einen Alkotest machen könnte? Da müsste man an Ihrem Intellekt grob zweifeln!", hält sie dem Angestellten vor. "Ich war unter Schock", entschuldigt sich dieser.

Es geht um eine Havarie um 7.30 Uhr am Samstag, dem 5. März. Der zweifach vorbestrafte Elcher – eine Vorverurteilung rührt daher, dass er betrunken Auto gefahren ist und eine Frau bei einem Unfall schwer verletzt hat – war gegen Mitternacht mit einem Freund in das Lokal U4 gegangen. In den nächsten fünf bis sechs Stunden hat er nach eigenen Angaben zwei bis drei Wodka Red Bull getrunken. Warum die Exekutive eine Stunde nach seinem Unfall 1,4 Promille bei ihm feststellte, können er und sein Verteidiger sich nur durch den erwähnten "Nachtrunk" erklären.

Motorblock aus Wrack katapultiert

"Meiner Einschätzung nach war ich fahrtüchtig", versucht es der Angeklagte zum Unmut Zöllners. "Sie sind doch sicher ein guter Autofahrer. Und an dem Morgen sind Sie viel zu schnell unterwegs gewesen, haben einen Lichtmast, einen Zaun und einen Verteilerkasten gerammt, Ihr Motorblock ist bis auf die andere Straßenseite geflogen! Das passiert Ihnen doch nicht, wenn Sie nüchtern sind!", mutmaßt die Richterin. "Ich fahr normalerweise nicht betrunken", lautet Elchers Antwort.

Nachdem er sein Auto auf Schrottwert reduziert hatte, blieb ein anderer Verkehrsteilnehmer stehen, um nachzusehen, ob der Angeklagte und sein Freund Hilfe benötigen. Elchers erste Kommunikation mit diesem Herrn: "Bitte ka Polizei", schrie er aus dem Wrack. Wie sich im Verfahren herausstellt, becherte der Angeklagte nach dem Crash nicht nur, sondern alarmierte auch seine Mutter. Die erschien und behauptete gegenüber den doch verständigten Beamten, sie sei hinter dem Steuer gesessen. Aufnahmen aus einer Überwachungskamera widerlegten sie, das Verfahren gegen die Frau wurde von der Staatsanwaltschaft dennoch eingestellt.

Freund doch nicht verletzt

Sowohl der Angeklagte als auch sein Freund beteuern, dass Letzterer bei dem Unfall nicht verletzt worden sei, wie in der Anklage steht. Staatsanwältin und Richterin spielen daher mit dem Gedanken, den Strafantrag von grob fahrlässiger Körperverletzung auf "Gefährdung der körperlichen Sicherheit" zu ändern.

Zum zweiten Anklagepunkt, der Nötigung, bekennt sich Elcher nicht schuldig. Der Besitzer eines an der Unfallstelle gelegenen Unternehmens, auf dessen Grundstück ein Schaden entstanden sein soll, filmte das Wrack und den Angeklagten aus Beweiszwecken nämlich mit dem Mobiltelefon. Was Elcher nicht goutierte. Sein Freund sagt als Zeuge, Elcher habe den Filmenden mehrmals "gebeten, dass er bitte das Handy weglegen solle". Im Polizeiprotokoll liest sich die Bitte noch transdanubisch-bodenständiger: "Deppada, wos fümst do?", soll der Angeklagte gerufen haben. Und gedroht haben, das Mobiltelefon mit Schwung auf den Erdboden zu befördern, was Elcher auch zugibt. Dass er den Unternehmer aber auch umhauen wollte, wie dieser angab, bestreitet der Angeklagte.

Filmenden Zeugen "ein bisschen bedrängt"

Bedrohlich muss die Situation jedenfalls gewesen sein – ein Linienbuschauffeur, der dazukam, trennte die beiden und bot dem Unternehmer an, sich zur Sicherheit in den Bus zu setzen. Schläge will dieser Zeuge keine beobachtet haben, der Angeklagte habe den Unternehmer lediglich "ein bisschen bedrängt". Eine Drohung sei in seiner Gegenwart nicht ausgesprochen worden.

Da der Unternehmer derzeit auf Hochzeitsreise ist, muss Zöllner auf August vertagen. Elchers Verteidiger regt am Ende noch eine diversionelle Erledigung an, da bei der Angelegenheit ja niemand zu Schaden gekommen sei und sein Mandant Verantwortung übernommen habe. Die Reaktion der Richterin lässt wenig Interpretationsspielraum zu: "Diversion gibt es bei Herrn Elcher in den nächsten Jahren sicher keine", stellt Zöllner angesichts der Vorstrafen klar. (Michael Möseneder, 5.7.2022)