Barbara Schöbi-Fink (ÖVP), die derzeit den Landeshauptmann Markus Wallner vertritt, will keine Abtreibungen in Landeskrankenhäusern, denn diese seien in erster Linie dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern.

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Wer von Frauen hört, die für eine Abtreibung die Reise in einen anderen Bundesstaat auf sich nehmen müssen, denkt dieser Tage unwillkürlich an die USA. Wenn es schlecht läuft, dann könnte das aber auch in Österreich bald Realität werden. Denn in Vorarlberg plant der einzige Arzt, der aktuell Abtreibungen anbietet, bald in Pension zu gehen – und in öffentlichen Spitälern sind Abtreibungen, wie auch in Tirol und dem Burgenland, nicht möglich. Geht es nach der ÖVP, soll das auch in Zukunft so bleiben.

Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink, die den sich im Krankenstand befindenden Markus Wallner derzeit vertritt, beschreibt es im Gespräch mit den "Vorarlberger Nachrichten" zwar als "oberstes Ziel", dass Frauen für Abtreibungen nicht in ein anderes Bundesland müssen. Sollte die Stelle im niedergelassenen Bereich aber nicht nachbesetzt werden können, bliebe wohl keine andere Lösung. Denn für Abtreibungen in Landeskrankenhäusern stehe die ÖVP nach wie vor nicht. Krankenhäuser seien in erster Linie dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern, sagt Schöbi-Fink.

Schöbi-Fink will Spitalsmitarbeiter schützen

In einer Antwort an den STANDARD spricht Schöbi-Fink außerdem die Wünsche der Ärzteschaft an: Grundsätzlich seien Schwangerschaftsabbrüche für Mitarbeitende und alle Beteiligten "emotional schwierige Eingriffe", das Thema sei heikel, "niemand möchte chirurgische Schwangerschaftsabbrüche gerne durchführen", schreibt Schöbi-Fink. "Wir möchten MitarbeiterInnen deshalb nicht dazu verpflichten, Abtreibungen vornehmen zu müssen", ausgenommen davon seien Abtreibungen nach medizinischer Indikation. Was Schöbi-Fink thematisiert, ist allerdings jetzt schon gesetzlich geregelt – nämlich dass kein Arzt, der das mit seinem Gewissen nicht vereinbaren kann, zur Durchführung einer Abtreibung gezwungen werden kann.

Ob Abbrüche in Landeskrankenhäusern angeboten werden sollten, war bereits 2015 Thema im Vorarlberger Landtag, damals brachte die SPÖ einen Antrag für ein solches Angebot ein. Die Grünen waren frisch in einer Regierung mit der ÖVP – und stimmten für die Initiative der Sozialdemokraten, ihren Koalitionspartner konnten sie aber nicht umstimmen. Martina Rüscher (ÖVP), heute Gesundheitslandesrätin, argumentierte damals, dass es eben keinen Rechtsanspruch auf Versorgung im Krankenhaus gebe. Die ÖVP und die FPÖ stimmten gemeinsam dagegen.

Jährlich etwa 300 Abbrüche

Man werde sich die Frage, wie man in Vorarlberg ein Angebot sicherstellen kann, bald wieder stellen müsste, sagte Frauenlandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) zu dem Thema. Sie sieht Abtreibungen im Ländle noch immer als großes Tabu. Ein Beleg dafür sei, dass es kaum Daten gebe.

Ein bisschen etwas dazu sagen kann Monika Hostenkamp, die gemeinsam mit ihrem Mann die einzige Klinik in Vorarlberg betreibt, in der Abtreibungen angeboten werden. Es würden jedes Jahr relativ konstant bei 280 bis 320 Frauen Abbrüche durchgeführt, letztes Jahr seien es etwas mehr als im Jahr davor gewesen. Ein Großteil der Frauen sei bereits alleinerziehend und wisse um die Herausforderungen, die ein weiteres Kind bringen würde.

Teenagerschwangerschaften hätten über die Jahre abgenommen, was zeige, dass sich das Aufklärungsangebot verbessert habe. Etwa die Hälfte der Patientinnen habe Hostenkamp zufolge Migrationshintergrund, viele keinen österreichischen Pass. Bei diesen Frauen gebe es bezüglich Sexualität und Aufklärung häufig Defizite. Die versucht das Ehepaar zu minimieren – denn zur Behandlung bei ihnen würde nicht nur der Abbruch an sich gehören, sondern neben der Voruntersuchung auch noch Gespräche, etwa über künftige Verhütung.

Schwierige Suche nach Nachfolgern

Hostenkamp betont, wie wichtig ein ausführliches Vorgespräch sei. Etwa zehn Prozent würden sich jedes Jahr danach noch umentscheiden und die Behandlung absagen. Sie wolle den Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern nichts absprechen, aber diese psychosomatische Begleitung, das sei dort wahrscheinlich schwieriger. "Hier sind wir in der Lage, uns Zeit zu nehmen und zuzuhören."

Sie und ihr Mann, beide gehen auf die 70 zu, hoffen deswegen, möglichst bald Nachfolger zu finden. Bevor es keinen Nachfolger gibt, wollen sie nicht aufhören. "Wir können die Frauen ja nicht im Regen stehen lassen." Klar sei vor dem Hintergrund ihres Alters aber auch, dass sie nicht noch fünf Jahre lang in der Praxis stehen würden. Die Suche sei aber keine leichte. Allein deswegen nicht, weil viele mögliche Anfeindungen fürchten. Auch vor der Praxis in Bregenz versammeln sich regelmäßig Abtreibungsgegner. Für die Frauen, die zum Abbruch kommen, sei das eine hohe psychische Belastung.

Auch Deutsche kommen nach Vorarlberg

Vor 25 Jahren eröffneten die beiden Deutschen neben ihrer Praxis in Lindau auch den Standort in Bregenz, weil sie von Beratungsorganisationen aus dem Ländle lange darum gebeten wurden. Denn davor gab es in Vorarlberg gar kein Angebot. Dass es das Schengener Abkommen noch nicht gab, habe außerdem eine Rolle gespielt. "In Österreich gab es damals sehr viele Flüchtlinge aus Jugoslawien, darunter Frauen mit sehr tragischen Geschichten." Jene, die eine Abtreibung wollten, hätten damals für jeden Termin in Lindau ein eigenes Visum gebraucht, bei Vorgespräch, Operation und Nachsorge also drei an der Zahl. "Da fiel also eine große Hürde für diese Frauen." Die Niederlassung in Vorarlberg habe damals, aber auch sonst "eingeschlagen wie eine Bombe", der Bedarf sei viel höher gewesen, als es sich das Ehepaar gedacht hatte.

Was Nachfolger wissen sollten

Mittlerweile arbeitet das Ehepaar nur noch in Österreich. Während vor ihrer Eröffnung Vorarlbergerinnen in die Lindauer Praxis pendelten, würden nun auch vermehrt deutsche Patientinnen nach Vorarlberg kommen, da die Versorgung in Bayern und Baden-Württemberg "ähnlich schlecht" sei, sagt Hostenkamp. Dass die Politik einlenkt und in Spitälern Abbrüche ermöglicht, glaubt sie nicht. Dem oder der Nachfolgerin wolle sie vor allem eines mitgeben: "Es gibt eben nicht nur diejenigen, die nach einem positiven Schwangerschaftstest strahlen. Es gibt auch die, die todunglücklich sind. Und um die muss man sich auch kümmern." (Lara Hagen, 5.7.2022)