Als gäbe es derzeit nicht schon genug kritische Situationen in Italien, legten Unbekannte Anfang der Woche auch noch im Norden Roms Brände.

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Für viele Italienerinnen und Italiener hat die Häufung der Naturkatastrophen der letzten Tage und Wochen die Dimension biblischer Plagen angenommen: Der fast ausgetrocknete Po, die Milliardenschäden in der Landwirtschaft, der von der ungewöhnlichen Hitze begünstigte Gletschersturz in den Dolomiten mit wahrscheinlich zwanzig Toten (neben sieben geborgenen Opfern werden weitere 13 Alpinisten immer noch vermisst) – und jetzt auch noch Wald- und Buschbrände. Allein in den Grünflächen und Parks von Rom wurden am Montag hundert Feuer registriert. Am schlimmsten wüteten die Flammen im Pinienwald Pineta Sacchetti in der Nähe des Vatikans. Der Himmel über der Kuppel von St. Peter war in dicke Rauchwolken gehüllt, Wohnhäuser mussten evakuiert werden, rund 50 Hektar Wald wurden zerstört.

Laut dem Römer Bürgermeister Roberto Gualtieri waren fast alle Brände absichtlich gelegt worden. Dasselbe gilt für die Waldbrände in Kalabrien und Sizilien, die bereits wieder hunderte Hektar Wald vernichtet haben. Die Brandstiftungen sind eine Plage, die die italienischen Behörden trotz vieler Anstrengungen und Gesetze bis heute nicht in den Griff bekommen haben. Im vergangenen Jahr, das weniger trocken war als dieses, wurden landesweit 150.000 Hektar Wald zerstört – das Dreifache des Vorjahres. Betroffen waren vor allem Sardinien, Sizilien und Kalabrien.

Unglückliches Seengebiet

Die größte aktuelle Sorge der Regierung bleibt indessen die anhaltende Trockenheit, die auch durch vereinzelte lokale Gewitter – etwa am Montag am Unglücksberg Marmolata in den Dolomiten – kein bisschen gemildert worden ist. Am Po, dem längsten Fluss des Landes, sinken die Wasserstände dramatisch. Ebenso dramatisch ist die Lage am Comer See und am Lago Maggiore. Etwas besser ist die Situation beim größten Wasserreservoir Norditaliens, beim Gardasee: Aber auch sein Pegel sinkt jeden Tag um mehr als einen Zentimeter.

Angesichts der Wasserkrise hat die Regierung von Premier Mario Draghi nun über die fünf am stärksten betroffenen Regionen Piemont, Lombardei, Venetien, Friaul und Emilia-Romagna den Notstand verhängt. Die Regionen Umbrien, Latium, Toskana und Ligurien, wo die Situation nicht wesentlich besser ist, haben diese Maßnahme ebenfalls beantragt und dürften in Kürze folgen. Die Verhängung des Notstands klingt in Italien dramatischer, als es in der Praxis ist: In erster Linie erlaubt sie es der Zentralregierung, den betroffenen Regionen unbürokratisch finanzielle Hilfen zukommen zu lassen. Mit den insgesamt 36,5 Millionen Euro, die die Regierung den fünf Regionen nun zur Verfügung stellt, können unter anderem außerordentliche Kosten für Wassertransporte mit Zisternen-Lkws abgedeckt werden.

Stundenweise kein Wasser in der Leitung

Mit der Verhängung des Notstands hat die Regierung auch die Notfallpläne der fünf Regionen bewilligt, die unter anderem die Rationierung von Wasser vorsehen. Zahlreiche Gemeinden vor allem im Piemont haben bereits damit begonnen, die Wasserversorgung stundenweise oder auch während der ganzen Nacht zu unterbrechen. Vereinzelt wurden in den Dürregebieten auch schon Restriktionen für private Pools, für das Autowaschen und das Bewässern der Gärten erlassen. Auch dies ist in Italien undramatisch: Es sind Maßnahmen, die vor allem im Süden und im Zentrum Italiens praktisch jedes Jahr ergriffen werden müssen und an die man sich gewöhnt hat. Und sie ändern natürlich nichts am Austrocknen der Flüsse und Seen und den daraus entstehenden Problemen für die Landwirtschaft und die Stromproduktion.

Das Einzige, was die Situation im Moment wirklich entschärfen würde, wären langanhaltende Regenfälle – und solche sind in Italien im Juli und August sehr unwahrscheinlich. Regierungschef Draghi setzt deshalb in erster Linie auf mittel- bis langfristige Maßnahmen, die zum Teil auch mit den Milliarden aus dem EU-Wiederaufbau finanziert werden sollen. Insbesondere sollen die löcherigen Wasserversorgungsnetze erneuert werden, in denen landesweit rund 40 Prozent des Wassers verloren gehen – im Süden bis zu 80 Prozent. Daneben sollen hunderte neue Staubecken und Reservoirs angelegt werden, mit denen das Regenwasser in Zukunft zurückgehalten werden kann. Zur Koordinierung dieser Projekte hat die Regierung die Einsetzung eines Sonderkommissars beschlossen. Die Wahl wird voraussichtlich auf den nationalen Zivilschutzchef Fabrizio Curcio fallen. (Dominik Straub aus Rom, 5.7.2022)