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Zwei Wochen Urlaub in Kroatien oder an der italienischen Adriaküste? Für gut jeden vierten Menschen in Österreich ist das aktuell nicht leistbar. Eine abgenutzte Couch durch eine neue ersetzen? Etwa jede siebente Bürgerin oder jeder siebente Bürger im Land wäre damit derzeit finanziell überfordert.

Diese Zahlen stammen aus einem am Dienstag präsentierten Bericht der Statistik Austria mit dem Titel "So geht's uns heute" – und sie dürften noch für einigen politischen Diskussionsstoff sorgen. Die Statistiker haben für die Untersuchung 3.100 Menschen in Österreich zwischen 16 und 69 Jahren zu ihrer Einkommenssituation und ihrer finanziellen Lage befragt. Die Befragungen wurden in diesem Frühjahr von Februar bis März durchgeführt, aus den Daten haben die Statistiker die Ergebnisse für die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.

Die Analyse zeigt, dass sich in Österreich zwischen Menschen in finanziellen Schwierigkeiten und dem Rest der Bevölkerung eine größere Kluft auftut. Da sind einmal jene Menschen, die angeben, dass sie durch die erwähnten außergewöhnlichen Ausgaben oder Urlaube finanziell überlastet sind, unter materieller Deprivation leiden. Vor allem die Folgen der Pandemie, also die hohe Arbeitslosigkeit nach den Lockdowns, aber auch die Teuerung, dürften für diese Entwicklung verantwortlich sein, sagt Matthias Till, einer der Studienautoren aus der Statistik Austria, dem STANDARD.

Das Besondere aus seiner Sicht: Die Zahl der Menschen, die im Alltag finanziell überlastet sind, hat sich über die vergangenen zwölf Monate hinweg deutlich erhöht.

Ein Beispiel: In der Befragung der Statistiker geben aktuell 23,1 Prozent der Menschen an, dass sie sich einen Urlaub nicht leisten können. Anfang 2021 waren das nur zwölf Prozent. 27 Prozent der Befragten sagen, dass sie durch unvorhergesehene Ausgaben in Höhe von 1.300 Euro überfordert wären und diese nur abdecken könnten, wenn sie sich Geld ausborgen oder eine Ratenzahlung vereinbaren. Vor einem Jahr war das nur bei 18 Prozent der Fall. Und 14 Prozent oder etwa jeder siebente Befragte gibt an, abgenutzte Möbel nicht ersetzen zu können. Vor einem Jahr waren es sechs Prozent.

Wahrnehmung der Menschen

Die Befragung der Statistik Austria fand zum zweiten Mal statt, in einer ersten Welle wurden 3.500 Menschen Ende des vergangenen Jahres befragt. Im Vergleich zu den damaligen Zahlen zeigt sich eine leichte Verbesserung der finanziellen Situation. Das könnte unter anderem am Rückgang der Arbeitslosigkeit liegen, diese sinkt schon seit mehr als einem Jahr. Die Erfahrung, arbeitslos geworden zu sein, liegt bei mehr Menschen länger zurück. Die aktuelle Befragung wurde allerdings im Frühjahr durchgeführt, als die Inflation noch deutlich niedriger war als derzeit.

Allerdings ist bei der Interpretation dieser Daten etwas Vorsicht geboten. Die Zahlen beruhen auf Online-Befragungen, es geht also um die subjektiven Einschätzungen der Befragten. Die erwähnten Vergleichsdaten der Statistik Austria zur materiellen Deprivation von Anfang 2021 stammen dagegen aus der EU-SILC-Erhebung: Dabei wird die Einkommenssituation von 7.000 Haushalten analysiert, diese Untersuchung ist also deutlich umfassender.

Auch weil das Thema Teuerung öffentlich diskutiert wird, steigt in der Wahrnehmung der Menschen die Bedeutung des Problems.

Das schlägt sich in den Angaben nieder. Mehr als ein Drittel der Befragten gaben laut Statistik Austria an, dass ihr Haushalt in den vergangenen zwölf Monaten von Einkommensverlusten betroffen war. Rund ein Viertel der Menschen sagt, dass für ihre Einkommensverluste die Teuerung verantwortlich sei. Die Teuerung führt zu höheren Ausgaben, nicht zu geringeren Einnahmen. In der Wahrnehmung vieler Menschen spielt das offensichtlich keine große Rolle; gesehen wird nur, dass weniger Geld da ist.

Es gibt laut Befragung aber nicht nur Verlierer in Österreich. Knapp 20 Prozent geben an, dass sich ihr Haushaltseinkommen im vergangenen Jahr erhöht hätte. Für die große Mehrheit der Befragten gab es keine Einkommensveränderung. Die größten Risikofaktoren für Armut in Österreich sind laut Analyse: fehlende Bildungsabschlüsse, Geburtsort im Ausland, hohe Kinderzahl oder nur ein Elternteil im Haushalt.

NGOs berichten, dass immer mehr Menschen in Österreich in Sozialmärkte ausweichen müssen. (András Szigetvari, 5.7.2022)