Eine gute Sitzung im Nationalrat beginnt mit einer Geschäftsordnungsdebatte. Angezettelt wurde diese diesmal von den Freiheitlichen. Der blaue Abgeordnete Christian Hafenecker kann nämlich die vergangene Sitzung Mitte Juni einfach nicht vergessen. Damals wollten er und seine Kameraden Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit einer dringlichen Anfrage Antworten zu aktuellen ÖVP-Affären rund um Parteifinanzen und Wahlkampfkosten entlocken. Doch Nehammer tauchte nicht auf. Er ließ sich von Staatssekretärin und Parteifreundin Claudia Plakolm vertreten. Dann waren auch noch die Antworten mau.

"Ich muss sagen, ich bin einigermaßen enttäuscht, dass die letzte Sitzung heute nicht am Beginn erwähnt wurde", eröffnete Hafenecker. Der Kanzler sei damals vor dem Parlament "geflüchtet" und die Anfrage unbeantwortet geblieben, moniert er.

"Skandalös, was an diesem Tag passiert ist"

Bei einer Stehpräsidiale habe dann Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) selbst vorgeschlagen, ein Gutachten anfertigen zu lassen, wie mit dem sogenannten Interpellationsrecht umzugehen sei. "Es ist auch eine Antwort, ein Gutachten gekommen, wo tatsächlich drinnen gestanden ist, dass das eine absolut unbefriedigende Antwort war und es eigentlich skandalös war, was an diesem Tag passiert ist", sagte Hafenecker. In der vergangenen Präsidiale habe man dann auch ausgemacht, Kontakt mit dem Kanzler aufzunehmen. "Ich höre nur heute nichts davon."

Sobotka entgegnete, Nehammer schriftlich und mündlich darüber informiert zu haben. Auch das Gutachten sei ihm übermittelt worden.

War ziemlich enttäuscht vom Nationalratspräsidenten: FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker.
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Für den Vizeklubchef der Sozialdemokraten, Jörg Leichtfried, sei all das jedenfalls ein gutes Beispiel dafür, "dass es schon symptomatisch ist, dass diese Regierung weder etwas im Griff hat noch einen Plan hat, die können nicht einmal mehr vernünftig Fragen beantworten".

Leichtfrieds Pendant bei den Neos, Nikolaus Scherak, mahnte vor allem Schnelligkeit ein: "Die Frage, die sich stellt, ist, ob das Kanzleramt geantwortet hat oder wann es gedenkt zu antworten", sagte der Liberale. "Weil das Instrument der dringlichen Anfrage dafür da ist, dass man innerhalb von mehreren Stunden hier im Plenarsaal eine Antwort bekommt. Und wenn die Antwort jetzt in eineinhalb Monaten kommt, dann erübrigt sich das, und wir können normale parlamentarische Anfragen stellen."

Aus Sicht Sobotkas sei alles getan worden, "was die Geschäftsordnung hergibt". Der Nationalratspräsident will aber noch einmal an das Kanzleramt herantreten.

Türkise Attacke vor der Eigenwerbung

Erst dann begann die eigentlich geplante aktuelle Stunde zu den geplanten Entlastungsmaßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung hinsichtlich der Teuerung. Aber das auch nicht so wirklich. ÖVP-Klubchef August Wöginger wollte den Freiheitlichen zuvor noch etwas ausrichten. "Bei der FPÖ schaut es aus wie bei einem Nudelsieb. Wenn Sie einfordern, dass die Regierungsmitglieder kommen, dann schauen Sie einmal eure Abgeordneten an, die da sind mit Klubobmann Kickl (Herbert, Anm.) an der Spitze, der fehlt nämlich regelmäßig im Parlament, da fehlt ein ganzes Drittel bei euch."

Dann begann die Eigenwerbung. Wöginger dozierte abermals über all die Maßnahmen, die von der türkis-grünen Regierung im Zuge der aktuellen Krisen wie der Teuerung gesetzt wurden. Begriffe wie "rasch", "wirkungsvoll" und "zielgerichtet" durften dabei nicht fehlen.

Unterbrochen wurde Wöginger dabei öfter von Leichtfried, der einmal verdutzt fragte, als der ÖVP-Mandatar die hohe Entlastungssumme für eine alleinerziehende Mutter aus Wien vorlas: "Kömma den Namen haben?" Wöginger warf der SPÖ dagegen vor, den Maßnahmen der Regierung laufend nicht zuzustimmen, und attestierte ihr "soziale Kälte".

Danach lobte auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in seiner Rede erwartbar die "Geschwindigkeit" der Regierung in Sachen Inflation. Ähnlich klang die folgende Rede der Grünen.

Ärger bei der Opposition

Sogar SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer gestand der Regierung zu, etwas gegen die Teuerung zu unternehmen. Allerdings sei das zu "zögerlich, zu klein, und zu spät" passiert. "Es gibt hier Einmalzahlungen statt Dauerlösungen", sagte Krainer und verwies etwa auf die Pensionen. Die hätte Krainer gerne um die Inflation erhöht, statt im Herbst einen einmaligen Betrag auszuzahlen.

Laut Krainer würden sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Großteil ihrer Entlastungen am Ende selbst zahlen. Der rote Abgeordnete plädierte einmal mehr dafür, die steigenden Gewinne von Energiekonzernen abzuschöpfen und die Energiepreise zu deckeln.

Der freiheitliche Michael Schnedlitz ärgerte sich vor allem darüber, dass die Regierung ihr "Mogelpaket" bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit im Nationalrat bewerbe. Abgesehen davon decke dieses nur einen Bruchteil der Probleme ab, die für die Bevölkerung durch die Teuerung entstehen würden, und erfolge nur "zizerlweise".

Zum Rundumschlag holte anschließend Beate Meinl-Reisinger aus. Die Neos-Chefin machte die ÖVP, SPÖ, und FPÖ dafür verantwortlich, Österreich in die Abhängigkeit von russischem Gas gebracht zu haben, die dem Land gerade Probleme bereitet. "Wer sind hier die Verursacher dieser Preistreiberei, und wer verrät unser Volk, unser Land?", fragte Meinl-Reisinger. "Das sind Sie von der FPÖ und alle, die dieses schäbige Spiel Putins in den vergangenen Jahren getrieben haben." Das sorgte für Unruhe auf den blauen Rängen.

Am Ende ihres Auftritts redete Meinl-Reisinger der Regierung ins Gewissen: "Es stehen uns ein sehr, sehr harter Herbst und Winter bevor", sagte die Liberale. Sie vermisse dahingehend die Ehrlichkeit in der Politik. Denn es könne sein, dass die aktuelle Preissteigerung erst der Auftakt sei, "weil Putin den Gashahn sukzessive zudreht".

Meinl-Reisinger erwartet sich von der Regierung, dass diese wieder daran arbeite, Vertrauen zu gewinnen. Denn auch im Falle der Energiekrise müssten alle ihren Beitrag leisten. Auch die Energieversorger "sollten sich jetzt hinsetzen und überlegen, was sie leisten können, um das abzufedern".

Am Nachmittag für 15 Uhr hielt auch Nehammer eine Rede, in der er die SPÖ attackierte. Diese würde mit "Halbwahrheiten, Desinformation und Populismus" versuchen, Neuwahlen herbeizuführen. Das sei der Ernsthaftigkeit der Situation "nicht angemessen". Die SPÖ stimme "gegen die Valorisierung von Sozialleistungen, eine langjährige Forderung der SPÖ, nur um der Parteipolitik zu huldigen". Die SPÖ entgegnete verärgert, dass es keinen Antrag im Nationalrat gegeben hätte. Eine Preisdeckelung von Grundnahrungsmitteln, wie sie gefordert wurde, würde laut Nehammer zu einer Verknappung des Angebots führen, da die Preise für die Herstellung – etwa von Brot – höher wären als der gesetzliche Höchstpreis. (Jan Michael Marchart, 6.7.2022)