Eine feministische Protestaktion Anfang Juli vor dem Wiener Stephansdom. Dass in mehreren Bundesländern die Versorgung kritisch ist, was Ärzte betrifft, die Abbrüche durchführen, alarmiert Neos, Grüne und SPÖ.

Foto: Feministisches Bündnis 'My Body My Choice'

Was tun, wenn Abtreibungen zwar de facto möglich sind, sie aber im ganzen Bundesland nicht angeboten werden? Die Frage stellt sich aktuell für das Bundesland Vorarlberg, weil der einzige Gynäkologe, der Abbrüche anbietet, so bald wie möglich in Pension möchte. In Krankenhäusern werden im Ländle keine Abtreibungen durchgeführt, außer es gibt medizinische Gründe dafür, und die ÖVP will das auch nicht ändern.

Schöbi-Fink entschuldigt sich

Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink sagte dazu, Spitäler seien in erster Linie dazu da, Leben zu retten und Gesundheit zu fördern. Am Mittwoch stellte sie in der Landtagssitzung klar, dass sie diese Formulierung so nicht mehr wählen würde. Sie habe damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass ihr Frauenleben nicht wichtig seien. Schöbi-Fink blieb aber dabei: Sie sieht das Angebot als wichtig an, es gehöre aber in den niedergelassenen Bereich.

Für die Grünen, die Neos und die SPÖ ist die Antwort klar: Es müsse reagiert werden – nicht nur im Ländle. Denn im Burgenland ist es bereits so, dass es im ganzen Bundesland keine Möglichkeit gibt, Schwangerschaftsabbrüche auf Patientinnenwunsch durchzuführen. In Tirol ist die Versorgung ähnlich schlecht wie in Vorarlberg, auch hier praktiziert nur ein Gynäkologe.

Disoski: Situation wie im Burgenland "absolut inakzeptabel"

"Von einem niederschwelligen, bundesweiten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, wie wir Grüne ihn befürworten, sind wir in Österreich beschämenderweise auch im Jahr 2022 immer noch weit entfernt", sagt Frauensprecherin Meri Disoski. Eine Situation wie im Burgenland sei "absolut inakzeptabel" und dürfe sich nicht auf andere Bundesländer ausweiten. Disoski fordert, dass die Versorgung österreichweit über die Landeskrankenhäuser gewährleistet werden soll.

Da stimmt auch Henrike Brandstötter, Frauensprecherin der Neos, zu, die die derzeitige Situation als "besorgniserregend" sieht. Dass in Tirol und Vorarlberg jeweils nur ein einziger Arzt für Abbrüche zur Verfügung stehe, grenze an "vorsätzliche Gesundheitsgefährdung". Die ÖVP verweigere Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung. "Selbstverständlich müssen wir in öffentlichen Spitälern sichere Schwangerschaftsabbrüche anbieten."

Brandstötter: Gesellschaft liberaler als die politischen Akteure

Schöbi-Finks Argument, wonach das Personal in Spitälern Abbrüche nicht durchführen wolle, lässt die pinke Frauensprecherin nicht gelten. "Die Gewissensfreiheit ermöglicht es heute medizinischem Personal schon, hier nicht zu unterstützen. Die Gesellschaft ist deutlich liberaler als die politischen Akteure. Deshalb findet sich auch genügend medizinisches Personal, das Frauen hilft und Abbrüche vornimmt", ist Brandstötter sich sicher.

Und auch von SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner gibt es ein klares Bekenntnis zu Abtreibungen in öffentlichen Krankenhäusern. "Es geht um die Sicherheit und um die Gesundheit von Frauen. Die Infrastruktur muss insbesondere in ländlichen Regionen ausgebaut werden." Notwendig seien außerdem mehr Kassen-Gynäkologinnen in ganz Österreich.

Holzleitner: Abtreibung darf keine finanzielle Hürde sein

Auch in einem weiteren Punkt sind sich Disoski, Brandstötter und Holzleitner einig: Schwangerschaftsabbrüche sollten in Österreich nicht zu einer sozialen Frage werden. "Eine Abtreibung darf auch keine finanzielle Hürde darstellen. In anderen westeuropäischen Ländern ist ein Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein bereits Realität", sagt dazu Holzleitner, die das auch für Österreich fordert.

Brandstötter differenziert: "Frauen sollen selbst bestimmen, wie sie mit ihrem Körper und ihrer Gesundheit verfahren. Niemand darf sich hier einmischen. Zu dieser Eigenverantwortung gehört aber auch, dass man die Kosten dafür trägt." Wien springe ein, wenn Frauen sich das nicht leisten können. Das solle auch in anderen Bundesländern möglich sein.

Gesetzliche Verbesserungen erwünscht, Rückschritte befürchtet

Die drei Frauensprecherinnen wären außerdem dafür, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. "Ungewollt Schwangere sollen sich für eine zutiefst persönliche Entscheidung weder rechtfertigen müssen und schon gar nicht dafür kriminalisiert werden", sagt Disoski. Es mache sie "wütend zu wissen, dass es im Parlament derzeit keine Mehrheit für eine Streichung des Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch gibt".

Aus dem Grund hält es auch Brandstötter von den Neos für gefährlich, die Debatte über die Fristenlösung aufzumachen. Sie befürchte, dass das am Ende "zu einem schlechteren Ergebnis für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen sorgen würde". Finanziell bestens ausgestattete Abtreibungsgegner seien europaweit am Vormarsch und könnten erste Erfolge vorweisen, etwa das De-facto-Totalverbot von Abtreibungen in Polen. "Dass die Fristenlösung in Österreich Abbrüche nicht gestattet, sondern diese nur straffrei sind, ist alles andere als ideal, ich würde es aber trotzdem nicht antasten, um eben keine Verschlechterung zu ernten."

Frauenministerin schweigt

Eine Anfrage bezüglich der Situation in Vorarlberg bzw. der Notwendigkeit, Abbrüche auch in Spitälern anzubieten, ging auch an Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). DER STANDARD erhielt bis dato allerdings keine Antwort. Nach dem folgenschweren Urteil in den USA hieß es von Raab in einer Stellungnahme, es dürfe "im 21. Jahrhundert nicht sein, dass Frauen in illegale und oft lebensgefährliche Abtreibungen gedrängt werden". Derlei sei "klar abzulehnen". Wichtig wäre, "dass es eine Reihe von niederschwelligen Angeboten zur Aufklärung und anonymen Beratung in Österreich gibt".

SPÖ und Neos mit Antrag in Vorarlberg

In Vorarlberg brachten am Mittwoch die SPÖ und die Neos in der Landtagssitzung einen gemeinsamen Antrag ein. Sie fordern die Landesregierung unter anderem dazu auf, "ein Modell auszuarbeiten, um Frauen auch in Zukunft eine regionale Möglichkeit zum sicheren Schwangerschaftsabbruch bereitstellen zu können". Dieses Modell solle sicherstellen, dass keine Versorgungslücke entsteht. Und: "Hierbei sollte auch die Einbindung von Landeskrankenhäusern als potenzielle Anlaufstellen diskutiert werden."

Die beiden Parteien fordern außerdem, dass es um Praxen, in denen Abbrüche durchgeführt werden, eine "Bannmeile" geben soll, um Frauen "vor Beschimpfungen und Übergriffen zu schützen, um ihr Recht auf Selbstbestimmung und Privatsphäre zu wahren". Der Arzt, der als einziger Abtreibungen im Ländle durchführt, schilderte nicht nur, wie Patientinnen vor seiner Praxis durch Abtreibungsgegner belästigt würden, er befürchtet auch, dass die Anfeindungen die Suche nach einem potenziellen Nachfolger erschweren könnten.

Auch FPÖ im Ländle offen

In der Landtagssitzung signalisierte sogar die FPÖ Offenheit für Abbrüche in Krankenhäusern, denn eine Versorgung müsse im Land sichergestellt werden, es müsse möglich sein, einen Abbruch "ordentlich und medizinisch sicher" auszuführen, sagte Frauensprecherin Nicole Hosp. Es brauche daher einen Dialog, eventuell einen runden Tisch. (Lara Hagen, 6.7.2022)