Die Taxonomie-Regeln sollen ab 2023 greifen.

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Brüssel/Straßburg – Das EU-Parlament hat für die Einstufung von Gas und Atomkraft unter gewissen Bedingungen als klimafreundliche Investition gestimmt. Von den anwesenden EU-Abgeordneten votierten am Mittwoch in Straßburg 328 für die von der EU-Kommission vorgelegte sogenannte Taxonomie, 278 dagegen, und 33 enthielten sich. Damit dürfte die Regelung mit Anfang 2023 in Kraft treten. Österreich hatte in diesem Fall bereits im Vorfeld eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angekündigt.

Das Ergebnis der Abstimmung galt als offen. Die Mehrheit der Grünen, Sozialdemokraten und der Linksfraktion gab an, dagegen stimmen zu wollen. Die konservative EVP war gespalten. Österreichs EU-Abgeordnete kündigten parteiübergreifend ihren Widerstand gegen die Taxonomie an. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) betonte, Österreich werde eine Klage einreichen. "Wir haben uns in den letzten Wochen und Monaten bereits intensiv auf diesen Fall vorbereitet und werden unsere Klage im Rahmen der dafür vorgesehenen Frist einreichen", hieß es am Mittwoch in einer Aussendung.

Österreichische EU-Abgeordnete üben geschlossen Kritik

Der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz bezeichnete das Abstimmungsergebnis als "enttäuschend und einen schweren Rückschlag für den Klimaschutz der EU". Die SPÖ-EU-Abgeordneten Evelyn Regner und Günther Sidl sehen ein "Greenwashing fossiler Technologien". ÖVP-Abgeordneter Othmar Karas schrieb auf Twitter: "Atomkraft und Gas bleiben weder grün noch nachhaltig. Daher unterstütze ich auch alle möglichen rechtlichen Schritte gegen das grüne Mascherl." Der FPÖ-Mandatar Georg Mayer sieht einen "Etikettenschwindel" und die EU-Kommission auf einem "Irrweg". Claudia Gamon von den Neos befürchtet, die Entscheidung spüle "Milliarden in Putins Kriegskasse".

Kritik kam auch umgehend von Umwelt-NGOs. Greenpeace kündigte via Aussendung eine Klage gegen die EU-Kommission an. Auch der WWF prüft eine Klage.

Gas und Atomstrom als Brückentechnologien

Mit der Taxonomie will die EU-Kommission festlegen, welche Finanzinvestitionen künftig als klimafreundlich gelten. Das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren und den Weg der EU zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu ebnen.

In erster Linie adressiert die Taxonomie die Finanzbranche. Die seit 2020 geltende Verordnung umfasst laut Nachrichtenagentur AFP bisher Öko-Energien wie Wind und Sonnenkraft und soll ein europäisches Gütesiegel für nachhaltige Finanzprodukte schaffen. Unterschieden wird nach direkt grünen Projekten wie Solaranlagen, indirekt grünen Projekten wie Speichern für erneuerbare Energien und sogenannten Brückentechnologien.

Zu diesen Brückentechnologien sollen nun Gas und Atomkraft zählen. Der aktuelle Schritt käme also einer offiziellen Empfehlung für private Investitionen in Atom- und Gasprojekte gleich. Die beiden Energieformen werden unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig im ökologischen Sinn deklariert: So müssen Atomkraftanlagen den neuesten Technikstandards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 vorliegen. Bei Gaskraftwerken ist der Ausstoß der Treibhausgase relevant.

Veto der EU-Staaten gilt als unwahrscheinlich

Die EU-Staaten könnten bis zum 11. Juli den Vorschlag der EU-Kommission noch blockieren. Dafür müssten sich mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Das gilt jedoch wegen des Interesses von vielen Staaten an der Nutzung von Kernkraft als unwahrscheinlich.

Insbesondere Frankreich galt als treibende Kraft hinter der "grünen" Atomkraft. Rund 70 Prozent des Stroms stammt in Frankreich aus nuklearer Energie. Gas wird zudem von einigen EU-Ländern wie Polen als das kleinere Übel im Vergleich zu der noch klimaschädlicheren Kohle angesehen. (APA, miwi, 6.7.2022)