In zahlreichen chinesischen Städten (im Bild: eine Frau in Peking) müssen Bürgerinnen und Bürger sich Corona-Tests unterziehen.

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Die Angst geht wieder einmal um in Schanghai, die Angst vor einem neuen Lockdown. Am Dienstag nämlich ließ die Stadtverwaltung auf ihrem Wechat-Account wissen, dass sich bis Donnerstag rund die Hälfte der 26 Millionen Einwohner der Stadt zweimal testen lassen müssen. Die Verordnung betrifft neun von insgesamt 16 Bezirken.

Der Grund ist, dass mehrere Infektionen Anfang der Woche in einer Karaokebar gemeldet wurden. Am Montag waren es acht positive Fälle. Gerade erst hatte sich die Lage wieder etwas entspannt: So war es nach über vier Monaten wieder möglich, in Restaurants zu essen.

Unter den Bewohnerinnen und Bewohnern macht sich Erschöpfung breit. Nach wie vor müssen sich die Menschen in Schanghai regelmäßig testen lassen – oft verlangt dies der Arbeitgeber. Vor den Teststationen aber bilden sich lange Schlangen, während die Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit derzeit 36 Grad und mehr erreichen.

Viele wollen Schanghai verlassen

Immer mehr Ausländerinnen und Ausländer verlassen unterdessen die Stadt und planen dies zumindest bis Ende des Jahres. "Wir haben zu viele Zeichen ignoriert", sagt eine gebürtige Taiwanesin, die seit über zehn Jahren in der Stadt lebt. "Jetzt aber wollen wir wie die meisten anderen bis Ende des Jahres hier raus."

China hat zwar gerade die Einreisebestimmungen für Ausländerinnen und Ausländer etwas gelockert – statt drei Wochen sind nun nur noch zehn Tage strikte Quarantäne notwendig. Der Imageschaden, den der drei Monate andauernde Lockdown aber verursacht hat, wirkt noch lange nach.

Keine Änderung der Corona-Politik

Vor allem aber: Es ist kein Ende der Zero-Covid-Politik in Sicht. Immer wieder werden Lockdowns verhängt und Millionenstädte zum Stillstand gebracht. In der zentralchinesischen Stadt Xian sind seit Mittwoch alle öffentlichen Einrichtungen, Restaurants und Bars für eine Woche geschlossen. Auch in der Provinz Anhui gilt Ähnliches.

Als ziemlich sicher gilt, dass Peking bis weit ins Jahr 2023 die rigorosen Maßnahmen fortführen will. Überall im Land sind gewaltige Quarantänelager entstanden, in die Positiv-Getestete abtransportiert werden – ob mit Symptomen oder nicht. Was die Impfungen betrifft, lässt sich die Regierung viel Zeit: Ausländische MRNA-Impfstoffe sind nicht zugelassen, eigene will man erst ausführlich testen.

Viele rätseln deswegen über die wahren Beweggründe der KP und darüber, ob den Maßnahmen nicht ein anderes Kalkül zugrunde liegt. Die Lockdowns verursachen gewaltige Verwerfungen bei den globalen Lieferketten und treffen die westliche Wirtschaft zu einem empfindlichen Zeitpunkt. Andererseits bestehen die Pläne, die chinesische Wirtschaft unabhängiger von globalen Einflüssen zu machen, schon länger. Die Pandemiemaßnahmen beschleunigen dies nur. (Philipp Mattheis, 6.7.2022)