Dieser Markt in Slowjansk ist nach einem russischen Raketentreffer ausgebrannt. Die Stadt in der Oblast Donezk wird seit Tagen beschossen. Nun suchen die verbliebenen Einwohner Wege zur Flucht.

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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Militärführung ungewohnt scharf kritisiert und versucht, die Bürger zu besänftigen. Der Generalstab des Landes hatte zuvor mit Aussagen für Empörung gesorgt, wonach alle wehrpflichtigen Ukrainer eine Genehmigung für das Verlassen ihres Meldeortes benötigen würden. "Ich verspreche dem Volk, die Sache zu klären, und bitte den Generalstab, derartige Entscheidungen nicht ohne mich zu treffen", sagte der Präsident in einer Rede. Seit Kriegsbeginn dürfen wehrpflichtige Ukrainer zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht verlassen.

Gefechte im Donbass

Währenddessen finden in der Oblast Donezk und an der Grenze zur Oblast Luhansk intensive Kämpfe statt. Der Luhansker Gouverneur Serhij Haidai sagte, die ukrainischen Kräfte hätten einen russischen Angriff im Donbass zurückgeschlagen. Die russische Armee habe im Westen der Stadt Lyssytschansk schwere Verluste erlitten, meldete der ukrainische Generalstab.

Die einstige Großstadt war vor einigen Tagen in die Hände der Russen gefallen. Nach Angaben Haidais versuchten die Russen erneut eine Querung des Flusses Siwerskyj Donez. Bei solchen Aktionen war es im Laufe des Krieges bereits mehrfach zu schweren Verlusten der Invasionsarmee gekommen.

Haidai berichtete auch von Plünderungen und Kriegsverbrechen in den eroberten Luhansker Städten Lyssytschansk und Sjewjerodonezk. Die russischen Besatzer machten Jagd auf die ukrainischen Zivilisten, raubten Wohnungen aus und zerstörten ukrainischsprachige Literatur, sagte der Gouverneur.

Dauerbeschuss

Im Gebiet Donezk liegt die Stadt Slowjansk nach Angaben des dortigen Bürgermeisters Wadym Ljach seit zwei Wochen unter Dauerbeschuss. Von den einst 100.000 Einwohnern halten sich noch 23.000 in Slowjansk auf. Diese suchen nun Wege, um sich in Sicherheit zu bringen. Auch die Hafenstadt Mykolajiw im Süden der Ukraine steht unter schwerem Beschuss. Der Bürgermeister Olexander Senkewytsch forderte die verbliebenen Einwohner zum Verlassen der Stadt auf.

Russlands Armee will "in der Donezker Volksrepublik" zwei US-amerikanische Himars-Raketenwerfersysteme zerstört haben. Das behauptet das Verteidigungsministerium in Moskau. Auch die zugehörigen Munitionslager seien durch "Hochpräzisionsraketen" vernichtet worden. Weiters sollen den unüberprüfbaren Angaben zufolge zwei ukrainische Hubschrauber und ein Kampfjet abgeschossen worden sein. Damit steigt die Zahl der von Moskau behaupteten Abschüsse auf 232 Flugzeuge und 137 Hubschrauber – bei ukrainischen Beständen von rund hundert Fliegern und neunzig Hubschraubern vor Beginn des russischen Angriffskrieges. Die USA sollen der Ukraine bisher vier der hocheffektiven Himars-Systeme geliefert haben.

Sorge um Völkerrecht

Während seit Beginn der völkerrechtswidrigen Invasion in der Ukraine nun bereits 133 Tage vergangen sind, ruft ausgerechnet Moskaus Außenminister Sergej Lawrow dazu auf, das Völkerrecht zu achten. "Die komplizierte Weltlage erfordert von allen Parteien Anstrengungen zum Schutz des Völkerrechts", sagte er bei einem Besuch in Hanoi.

Lettland wird wegen der russischen Aggression die Wehrpflicht wieder einführen. Das verkündete der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks am Dienstag. Man habe keinen Grund, mit einer Verhaltensänderung Russlands zu spekulieren, und das militärische System des Landes sei an die Grenzen gelangt. Lettland hatte die Wehrpflicht nach dem Nato-Beitritt abgeschafft und verfügt nur über 7500 Berufssoldaten und freiwillige Nationalgardisten. Der baltische Nachbar Litauen übergab der Ukraine am Dienstag eine Bayraktar-Kampfdrohne. Die Bürger des Landes hatten im Mai innerhalb von drei Tagen fünf Millionen Euro gesammelt, um Kiew mit dem Fluggerät zu unterstützen. Der türkische Hersteller stellte die Drohne daraufhin gratis zur Verfügung. (Michael Vosatka, 7.7.2022)