570 Millionen Euro, um die Gehälter der Pflegekräfte aufzubessern – Grüne-Klubobfrau Sigi Maurer lobt das Pflegepaket.

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Wien – Die Abgeordneten des Nationalrats erwartet am Donnerstag der wohl interessanteste Tag des Parlamentskehraus. Mit einer Pflegereform wird vor allem mehr Geld in das System gepumpt. Für die Landwirtschaft relevant ist die langfristige Abschaffung der Vollspaltenböden für Schweine. Dazu erhält der Rechnungshof zusätzliche Einschaurechte bei den Parteien, und die Impfpflicht wird abgeschafft. Am Mittwoch wurden Erleichterungen für Radfahrerinnen und Fußgänger beschlossen.

In der Fragestunde kündigte Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) am Donnerstagvormittag an, zumindest bei kleinen und mittleren Pensionsbezügen die Inflation abzugelten. Man müsse berücksichtigen, dass gerade bei geringen Einkünften die Preise besonders zuschlügen. Ob es allgemein eine volle Inflationsabgeltung geben wird, ließ er mit Blick auf noch anstehende Verhandlungen offen.

Finanzrahmen müsse überschritten werden

Dauerhaft wird es laut Rauch bei den Pensionen aber nicht möglich sein, eine Teuerung von acht bis zehn Prozent voll zu kompensieren. Dies sei nicht leistbar. Ansehen müsse man sich da auch Förderungen der Länder, wo etwa der Heizkostenzuschuss von Land zu Land unterschiedlich ist. Klar sei aber, dass der Finanzrahmen für die Pensionen jetzt überschritten werden müsse, meinte Rauch zu entsprechenden Einwänden von Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker.

Hitzige Auseinandersetzungen zum Thema Teuerungen gab es am Donnerstag im Nationalrat.
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Was die vom Rechnungshof in einem Rohbericht geäußerte Kritik an den hohen Kosten durch die Kassenfusion angeht, will der Sozialminister den Endbericht abwarten und die Kritikpunkte der Prüfer möglichst aufnehmen. Ohnehin gelte es, bei den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen die Finanzierungsströme zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherung genau anzusehen. Für die unter Türkis-Blau versprochen Patientenmilliarde fühlt sich Rauch nicht verantwortlich. Diese habe nicht er versprochen, und diese gebe es auch nicht.

Nationalrat ändert Pflegereform ab

Der Nationalrat hat am Donnerstag schließlich mit den Stimmen der Regierungsparteien und der Freiheitlichen Teile der Pflegereform auf den Weg gebracht. Kritik dazu kam in der Debatte in unterschiedlicher Ausprägung von der Opposition. Vor allem die SPÖ sieht darin "Stückwerk" und beklagte die fehlende Nachhaltigkeit, was man aufseiten der Regierungsparteien nicht nachvollziehen konnte. Stattdessen lobten ÖVP und Grüne das Paket als "größte Reform seit Jahrzehnten".

Das brachte den Koalitionsparteien Häme von der Opposition ein. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sah darin eine "Husch-Pfusch-Aktion" und "Chaos pur". Geht es nach dem freiheitlichen Abgeordneten Gerhard Kaniak, hätten sich die Koalitionsparteien besser ein paar Monate Zeit für eine ordentliche Begutachtung lassen sollen. Dass die Reform des Pflegegeldes aufgegriffen werde, freut Kaniak, dem aber eine grundlegende Erneuerung der Pflegestufen fehlt. Dennoch stimmten die Freiheitlichen letztlich mit. Kritik übten auch die NEOS, etwa an den sie den Anpassungen beim Pflegegeld, dies bringe den Pflegepersonal gar nichts.

Die Regierungspartein sprechen indes von einem großen Wurf: "Dieses Paket ist riesig und genau das, auf das seit Jahrzehnten gewartet wird", sagte Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen. Damit werde die Situation der Pflegekräfte "ganz maßgeblich" verbessert. "Wir nehmen 570 Mio. Euro in die Hand, um die Gehälter der Pflegekräfte aufzubessern", betonte die Klubobfrau der Grünen. Man habe noch einmal aufgestockt und damit auch die Heimhilfen und Behindertenbegleiter mit aufgenommen. Dies müsse aber Basis für eine dauerhafte Verbesserungen sein.

Angehörigenbonus künftig auch für Pensionistinnen und Pensionisten

Rausgenommen wurde vorerst der Beschluss zum Angehörigenbonus. Bei diesem waren ursprünglich 1.500 Euro pro Jahr für pflegende Angehörige vorgesehen, die ihren Job aufgegeben haben bzw. als pflegende Angehörige versichert sind. Voraussetzung ist der Bezug von Pflegegeld zumindest in Stufe vier. Da nun der Bezieherkreis unter anderem auch auf Pensionisten ausgeweitet werden soll, wird der entsprechende Beschluss erst im Herbst erfolgen.

Der Bezieherkreis werde sich damit verdreifachen, zu den zunächst 24.000 Personen sollen rund 50.000 dazukommen, hieß es. Insgesamt gibt es in Österreich rund 950.000 pflegende Angehörige. Neben den Pensionisten könnten auch noch weitere Personen als Bezieher des Bonus dazukommen, beispielsweise kurz vor der Pensionierung stehende Pflegende. Diese Details müssten aber erst ausgearbeitet werden, hieß es gegenüber der APA im ÖVP-Klub. An der Pflegestufe 4 als Voraussetzung werde sich jedenfalls nichts ändern.

Der Beschluss des Bonus wird aus dem heute im Nationalrat anstehenden Reformpaket herausgenommen, gleichzeitig wird per Initiativantrag als parlamentarische "Trägerrakete" dafür gesorgt, dass der überarbeitete Beschluss im September erfolgen kann. Außerdem bringen ÖVP und Grüne einen unselbstständigen Entschließungsantrag ein, mit dem der Sozialminister zu einer Regierungsvorlage aufgefordert wird, "mit der die Möglichkeit geschaffen wird, nahen Angehörigen, beispielsweise Pensionistinnen neben zahlreichen anderen pflegenden und betreuenden Angehörigen, die eine Person mit Anspruch auf Pflegegeld ab der Stufe 4 in häuslicher Umgebung pflegen, einen Angehörigenbonus zu gewähren, zur Beschlussfassung zu übermitteln".

Tierpaket mit Aus für Vollspaltböden auf den Weg gebracht

Das Ende der Vollspaltenböden in der Schweinehaltung ist besiegelt. Dafür sorgt eine Tierschutznovelle, die Donnerstagnachmittag vom Nationalrat beschlossen wird. Allerdings können bestehende Anlagen noch bis 2039 weiterbetrieben werden, was SPÖ und Neos empörte. FP-Mandatar Peter Schmiedlechner nannte die Tierschutzmaßnahmen "Politik der Schwachsinnigen".

Gegen die Vollspaltenböden waren Tierschutzorganisationen, allen voran der VGT, seit vielen Jahren Sturm gelaufen. Nunmehr wurde von der Politik den Rufen doch Gehör geschenkt. Bereits ab kommendem Jahr sind sie bei Neu- oder Umbauten untersagt. Allerdings ist das endgültige Aus erst mit 2040 fixiert.

Aus für Impfpflicht

Mittels einstimmigem Beschluss des Nationalrats wurde auch die erst Anfang Februar eingeführte und zuletzt ausgesetzte Impfpflicht abgeschafft. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) begründete die Maßnahme mit "völlig anderen Voraussetzungen" als bei der Einführung.

Auch eine Änderung des Parteiengesetzes steht auf der Tagesordnung. Künftig wird der Rechnungshof bei einem "begründeten Verdacht" auf Verletzung des Parteiengesetzes diesem selbst nachgehen dürfen. Die Spitze des Rechnungshofs wird ab dem nächsten Mal nach einem öffentlichen Hearing vom Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit bestimmt. Abgeschafft wird die aktuell nur ausgesetzte Verpflichtung zu einer Corona-Schutzimpfung. (APA, red, 7.7.2022)