Die Kurse der Kryptowährungen rasseln nach und nach in den Keller. Eine Börse nach der anderen sperrt zu, es sieht düster aus auf dem Markt.

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Die Goldgräberstimmung in der Krypto-Bubble hat viele Menschen dazu gebracht, ohne viel Vorwissen in Bitcoin, Ethereum und andere Kryptowährungen zu investieren – auch dank zugänglichen Plattformen wie etwa der Wiener Kryptobörse Bitpanda. Der Kryptowinter, der seit einigen Wochen herrscht, hat Abkühlung in die boomende Branche gebracht und lässt aktuell viele Investoren zittern, dass sie ihr Geld nie wiedersehen werden.

Jüngst tauchten dazu passend Vergleiche zum Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000er -Jahre auf. Damals ging alles und jeder an die Börse, wer .com im Firmenname stehen hatte. Wie sich schmerzlich rausstellen sollte, bauten viele nur sehr teure Luftschlösser.

Lehman Brothers

Alfred Taudes, Professor am Institut für Kryptoökonomie an der WU Wien, zieht einen anderen Vergleich und denkt beim Thema Kryptowinter vielmehr an den Beginn der Finanzkrise 2007, als Lehman Brothers crashte: "Viele der zusperrenden Kryptobörsen haben ein ähnliches Geschäftsmodell wie Banken. Sie verwalten Coins nicht treuhändisch wie eine Aktie, sondern so wie Einlagen. Damit haben sie spekuliert und sehr hohe Zinsen versprochen", sagt Taudes im Gespräch mit dem STANDARD.

Solange die Kurse gestiegen sind, war das auch kein Problem, aber: "Sie haben sich untereinander Coins geliehen und Deals gemacht, das rächt sich nun, und es kommt zu einem Schneeballeffekt wie bei Lehman." Fest stehen dürfte, dass es in den kommenden Monaten zu einer Marktbereinigung kommt, die viele Anleger einen Haufen Geld kostet.

Starker Einbruch

Nach Beginn des Ukraine-Krieges und durch die darauffolgende hohe Inflation stürzten zahlreiche Kryptowährungen in den Keller. Seit November 2021 ist der Kryptomarkt um rund 60 Prozent gefallen und hat auch die bis dahin als stabil geltenden Währungen wie Bitcoin mit nach unten gezogen. Weniger populäre Coins erfuhren einen Wertverlust von bis zu 90 Prozent.

Der damit verbundene Rückzug vieler Anleger und die stark reduzierten Transfers auf den Börsen bremsten das bis dahin stark anwachsende Geschäft und überraschten offenbar auch etablierte Branchenvertreter. So musste etwa die bereits 2012 gegründete Handelsplattform für Kryptowährungen Coinbase einen signifikanten Teil der Belegschaft kündigen. Das Celsius-Netzwerk pausierte Mitte Juni alle Transaktionen seiner 1,7 Millionen Kundinnen und Kunden, offiziell "zum Schutz der Vermögenswerte".

Lage in Österreich

WU-Professor Taudes sieht in Österreich noch keinen großen Grund zur Sorge, die hiesigen Unternehmen hätten ihr Geschäft geschickt aufgebaut. "Coinfinity beispielsweise überträgt an das Wallet des Nutzers, und geht die Firma in Konkurs, verliert man nichts." Bitpanda und Coinpanion verwalten Wallets treuhändisch, das sei ähnlich wie bei einem Aktiendepot. "Geht die Bank in Konkurs, bleibt einem die Aktie trotzdem. Es ist nicht wie bei einem Sparbuch, wenn man Geld der Bank überlässt."

Unternehmen entspannt

Gerade das Wiener Unternehmen Bitpanda machte in den letzten Tagen wegen Massenkündigungen von sich reden. Der vor allem in Österreich ansässige Kundenstamm sieht sich aufgrund der weltweiten Entwicklungen verunsichert. Auf Anfrage des STANDARD gibt ein Sprecher des Unternehmens Entwarnung. "Die angelegten Vermögenswerte, die wir im Auftrag unserer rund vier Millionen Kunden schützen, sind sicher und bleiben zugänglich." Damit bestätigt er die Aussagen von Taudes.

Man sei bei mehreren Finanzeinrichtungen registriert, etwa der heimischen FMA, der French Autorité Des Marchés Financiers, und einigen anderen. Alle Vermögenswerte seien in einem sicheren "Cold Storage Environment" aufbewahrt, das einer regelmäßigen Prüfung unterzogen werde. Würde etwas "schiefgehen", würde das Aussonderungsrecht nach österreichischem Recht greifen – es gäbe damit kein Risiko, Vermögen tatsächlich verlieren zu können.

Auch Coinpanion-Chef Alexander Valtingojer beschwichtigt: "An allen europäischen Exchanges werden Wallets treuhändisch gehalten, ich wüsste gar nicht, wie es anders gehen soll." Würde die eigene Firma in Konkurs gehen, bliebe das Geld dennoch bei den Kundinnen und Kunden.

Neue Regelungen

Die EU sieht den Kryptomarkt noch immer als "Wilden Westen" und arbeitet deshalb intensiv an einem neuen Regelwerk namens Markets in Crypto Assets (MiCA). Ende 2023 sollen damit erstmals starke Maßnahmen zum Schutz vor Marktmissbrauch und -manipulation etabliert werden. Mit dem neuen Regelwerk sollen Emittenten von Kryptowährungen und Anbieter damit verbundener Dienstleistungen eine Art Pass erhalten, um Kunden in der gesamten EU bedienen zu können. Damit soll zugleich die Einhaltung von Kapital- und Verbraucherschutzvorschriften verknüpft sein.

Unsicherheit dominiert das Geschehen in der Weltwirtschaft und dementsprechend auch den Kryptomarkt. Treffsichere Prognosen kann und will niemand abgeben, bei einem sind sich aber in- und außerhalb der Bubble alle einig: Kurzfristig dürfte es mit den Kursen nicht nach oben gehen. (Alexander Amon, Andreas Danzer, 8.7.2022)