Einkommensunterschiede ziehen sich durch alle Ausbildungsfelder: Eine Frau mit Masterabschluss verdient im Schnitt weniger als ein Mann mit Bachelor – trotz gleichen Studienfelds.

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Im österreichischen Bildungssystem liegt vieles im Argen. Das Elternhaus prägt immer noch maßgeblich den späteren Bildungsweg des Kindes. Jedes sechste Volksschulkind benötigt mittlerweile Nachhilfe. Und zeitgleich spitzt sich die Situation beim Schulpersonal mit Blick auf den Lehrermangel zu. Finanziell wird gegen diese und weitere Bildungsbaustellen aber wenig unternommen, wie ein umfangreicher Bildungsreport des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts nun verdeutlicht. Österreich verfehlt dabei nicht nur seit langem die EU-Ziele für Kleinkinderbetreuung – auch die staatlichen Bildungsausgaben generell stehen still.

Und dabei bleibt es nicht – mit Blick auf das spätere Erwerbsleben kommt in Österreich je nach Bildungsgrad vor allem etwas zum Vorschein: die Kluft bei den Einkommen. Wie aus dem Report hervorgeht, liegt der Einkommensunterschied zwischen niedrigstem und höchstem Bildungsgrad bei rund 60 Prozent. Eine Kluft tut sich dabei auch zwischen Frauen und Männern auf: Zwar sind erstere in Österreich formell höher gebildet, trotzdem verdienen sie weniger – sogar dann, wenn sie den gleichen oder sogar höheren Bildungsabschluss als ihre männlichen Kollegen haben.

Weniger Geld trotz Lehrlingsmangels

Wie schaut die Situation aber zunächst im Elementarbereich aus, also dort, wo die Bildungslaufbahn startet? Hier ist Österreich säumig. Mit 23 Prozent verfehlt Österreich seit mehr als einem Jahrzehnt das 2010 festgelegte EU-Ziel von 30 Prozent bei der Kleinkindbetreuung. "Es wurde zwar mehr investiert in die Betreuung, aber hier herrscht immer noch Aufholbedarf", sagt dazu Bildungsökonomin und Studienautorin, Sophie Achleitner, im Gespräch mit dem STANDARD.

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Diese finanzielle Unterernährung zieht sich in den Primar- und Sekundarbereich hinein: Während einerseits die Mittel für Kindertagesheime und Universitäten in den letzten zwanzig Jahren erhöht wurden, sind sie andernorts gekürzt worden. Eine Schulform sticht dabei besonders hervor: Bei der Berufsschule sind die Ausgaben rückläufig. Nur drei von 100 Bildungseuros gehen auf das Konto der Berufsschulen. Ein Umstand, den Achleitner als "paradox" bezeichnet. Letztlich sei der am häufigsten abgeschlossene Bildungsgrad in Österreich nach wie vor der Lehrabschluss – rund ein Drittel der Bevölkerung steigt mit diesem ins Berufsleben ein.

Dass also etwas hinter den Bemühungen steckt, die Lehrausbildung aufzuwerten, spiegelt sich nicht in den Ausgaben wider. Zum Unmut vieler Unternehmen: Diese beklagen seit Jahren einen Mangel an qualifizierten Auszubildenden. Achleitner fordert daher eine bessere Finanzierung der Lehre und eine treffsichere Gestaltung bei den Bildungsausgaben.

Ungleiche Bezahlung – trotz gleicher Ausbildung

Ausgehend vom Bildungsgrad beschäftigte sich Achleitner auch mit den Gehältern, die Männer und Frauen später im Berufsleben verdienen: Ist etwa die Lehre noch männlich dominiert, gibt es in Hochschulen einen starken Überhang an Frauen. Dennoch verdienen sie danach weit weniger – auch wenn sie gleich oder höher gebildet sind als Männer. Dieses Phänomen zieht sich durch alle Ausbildungsfelder durch: Es gibt kein einziges, in dem Frauen nach Abschluss besser als Männer bezahlt werden.

Beispielsweise verdient in Österreich eine Frau mit Matura ein Drittel weniger als ein Mann mit Matura. Bei den Master- und Doktoratsabschlüssen beträgt der Verdienstverlust ebenfalls 30 Prozent.

Daraus folgt, dass der sogenannte Education-Gender-Pay-Gap in Österreich zwischen 17 und 40 Prozent liegt. Bis zu einem gewissen Grad ist dieser bekanntlich auf Teil- und Vollzeitquote sowie eine Überrepräsentation in schlechter bezahlten Berufen zurückzuführen – Stichwort: weibliche und männliche Berufsdomänen.

Bildungsgradübergreifende Unterschiede

Doch diese Erklärungen greifen angesichts bildungsgradübergreifender Unterschiede zu kurz, wie Achleitner festhält: Ein Mann mit Matura verdient demnach im Schnitt mehr als eine Frau mit Universitätsabschluss. Sogar bei gleichem Studium ist es so, dass eine Frau mit Masterabschluss weniger als ein Mann mit Bachelorabschluss verdient.

"Auch in Bereichen wie den Sozialwissenschaften, im Journalismus und im Lehrberuf sind diese Einkommensunterschiede vorhanden", sagt Achleitner. Selbst jene wenigen Männer, die Teilzeit arbeiten, verdienen besser als Frauen mit gleicher Arbeitszeit. Um diese Schieflage aufzuheben, empfiehlt das Institut ein gesetzliches Verbot ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit sowie einen Mindestlohn von 2.000 Euro für Systemerhalterinnen. (Elisa Tomaselli, 8.7.2022)