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Wie kann und will ich mit den möglichen Ergebnissen der Untersuchung umgehen? Wäre ich bereit für eine invasive Untersuchung? Das seien Fragen, die sich werdende Eltern vor pränatalen Untersuchungen stellen müssten.
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Wenn ein Baby in Mamas Bauch heranwächst, ist das für Eltern eine Sensation. Sie wollen sichergehen, dass es ihrem Kind gutgeht. Ist es mit allem Nötigen versorgt? Hat es alles, was es braucht? In Österreich gibt es verschiedene Methoden, um in der Schwangerschaft den Fötus zu untersuchen. Bei den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen macht die Gynäkologin oder der Gynäkologe ein Ultraschall und prüft, wie das Kind wächst.

Außerdem gibt es eine Reihe von Untersuchungen, für die sich Eltern noch entscheiden können, für die sie aber auch selbst bezahlen müssen. Das "Organscreening" ist ein genaueres Ultraschall, bei dem das Gehirn, das Herz, Lungen, Nieren, Magen, Leber und Skelett des Babys untersucht werden. So könnte zum Beispiel ein Herzfehler entdeckt und die Geburt in einem speziellen Krankenhaus geplant werden.

Beim "Ersttrimesterscreening", umgangssprachlich auch "Nackenfaltenmessung" genannt, wird per Ultraschall die Nackenfalte des Kindes vermessen. Sammelt sich dort besonders viel Flüssigkeit an, kann das ein Hinweis auf Anomalien, Fehlbildungen oder Erkrankungen sein. So lässt sich etwa auch untersuchen, ob ein Kind Trisomien wie das Downsyndrom haben könnte. Zur Absicherung eines auffälligen Befunds empfehlen viele Ärztinnen und Ärzte invasive Untersuchungen – sie entnehmen Fruchtwasser aus der Fruchtblase oder Gewebe aus dem Mutterkuchen, um das Erbgut des Kindes zu untersuchen.

Inanna Reinsperger ist Forscherin am Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) und hat für eine neue Studie die pränatale Diagnostik in sechs europäischen Ländern verglichen. Die Gefahr der Tests sei, dass werdende Eltern nur noch mehr verunsichert würden, sagt Reinsperger. "Man wünscht sich ein klares Ergebnis, das es aber oftmals nicht gibt." Sie empfiehlt, sich zu informieren, was die Tests aussagen, und sich klarzumachen, welche Folgen welches Testergebnis für einen hätte.

STANDARD: Sie kommen in Ihrer Studie zum Ergebnis, dass es eine professionelle Beratung braucht, damit werdende Eltern eine fundierte Entscheidung für oder gegen eine Untersuchung treffen können. Sind Schwangere in Österreich gut beraten?

Reinsperger: Mein Eindruck ist, dass in Österreich in der täglichen Praxis meist die Zeit fehlt, um die Schwangeren so gut und umfassend zu beraten, dass sie wirklich eine informierte Entscheidung treffen können. Viele haben keinen Überblick, welche Untersuchungen es überhaupt gibt. Sie können auch nicht einschätzen, was ein Ergebnis für sie tatsächlich bedeutet. Das Thema ist ja wahnsinnig komplex, und es stellen sich sehr viele schwierige ethische und persönliche Fragen. In manchen anderen Ländern ist die Beratung besser gelöst – dort ist sie fixer Bestandteil der Screening-Programme und wird etwa von Hebammen mit spezieller Ausbildung gemacht. Es gibt dort auch Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Beratung, zum Beispiel regelmäßige Fortbildungen der Beraterinnen und Berater.

STANDARD: Sie kritisieren, dass Schwangeren in Österreich oftmals das Gefühl vermittelt werde, dass all die Untersuchungen notwendig seien oder selbstverständlicher Teil der Schwangerschaftsvorsorge.

Reinsperger: Ich glaube, dass viele Frauen denken: Das mach ich jetzt mal, immerhin wird es mir empfohlen! Noch gibt es meines Wissens keine offiziellen Zahlen zur Inanspruchnahme. Aber man kann davon ausgehen, dass ein großer Teil der Schwangeren den einen oder anderen Test durchführen lässt. Viele machen die Untersuchungen, weil sie denken, dass sie dazugehören und eh alles gut sein wird – aber manchmal ist das dann eben nicht der Fall.

STANDARD: Die Nackenfaltenmessung zeigt Wahrscheinlichkeiten – etwa dafür, dass ein Kind mit Trisomien, beispielsweise dem Downsyndrom, auf die Welt kommt. Was sollen Eltern damit anfangen?

Reinsperger: Der Test zeigt zum Beispiel eine Wahrscheinlichkeit von 1:500. Das würde konkret bedeuten, dass eine von 500 Frauen mit diesem Ergebnis tatsächlich ein Kind mit Trisomie 21 zur Welt bringt. Für werdende Eltern sind solche Ergebnisse oft sehr verunsichernd. Sie haben kein eindeutiges Ergebnis, sondern nur eine Zahl, mit der sie nicht wirklich etwas anfangen können. Es wäre wichtig, dass sie das Risiko auch richtig einordnen können.

Der nicht-invasive Pränataltest (NIPT), bei dem in einer Blutprobe der Mutter die fetalen DNA-Bestandteile analysiert werden, ist deutlich genauer, aber auch hier ist das Ergebnis manchmal nicht einfach zu interpretieren. Es macht nämlich einen Unterschied, ob der Test bei älteren Schwangeren durchgeführt wird, die vielleicht auch noch gewisse Risikofaktoren haben, oder bei jungen gesunden.

STANDARD: Zeigen diese nicht-invasiven Tests ein höheres Risiko an, bringen invasive Untersuchungen dann mehr Gewissheit?

Reinsperger: Ja, invasive Untersuchungen bringen mehr Klarheit. Im Wesentlichen gibt es zwei davon: Erstens die Fruchtwasseruntersuchung, bei der mit einer Nadel über die Bauchdecke der Mutter Fruchtwasser entnommen wird. Zweitens die Chorionzottenbiopsie, bei der Gewebe aus der Plazenta entnommen wird. Es ist allerdings so, dass diese Untersuchungen auch Risiken bergen. Durch den Einstich mit der Nadel gibt es etwa ein geringes Risiko für eine Fehlgeburt.

STANDARD: Hebammenvertreterinnen sagen, dass eine Schwangerschaft heute mehr denn je auf dem Prüfstand steht. Sehen Sie das auch so?

Reinsperger: Zweifelsohne stellen die Untersuchungen das Baby und die Schwangerschaft auf den Prüfstand. Vor allem in jener Zeit, in der die werdenden Eltern auf die Ergebnisse warten – was einige Tage oder Wochen dauern kann. Und selbst wenn die Ergebnisse gut aussehen, hat man keine Garantie dafür, dass das Kind gesund zur Welt kommt. Denn Trisomie 21 ist ja nur ein sehr geringer Anteil der möglichen Beeinträchtigungen. Außerdem können Ergebnisse auch falsch positiv oder falsch negativ sein. Denn die gute Nachricht ist aber: 97 Prozent der Kinder kommen völlig gesund zur Welt.

Nicht selten entscheiden sich werdende Eltern auf Basis dieser Tests zu einem Schwangerschaftsabbruch. Das ist natürlich eine persönliche Entscheidung. Auf gesellschaftlicher Ebene stellt sich aber die Frage, wie wir als Gesellschaft mit diesen Tests umgehen möchten und welchen Stellenwert unsere Gesellschaft Menschen mit Behinderungen, mit solchen Trisomien, zuweist. Da bräuchte es eine breite Debatte. In Deutschland findet diese bereits statt.

STANDARD: Die Debatte verlief rund um die Entscheidung, den nicht-invasiven Pränataltest NIPT, bei dem gezielt nach Trisomien gesucht wird, in gewissen Fällen als Kassenleistung einzuführen. Wie genau ist das geregelt?

Reinsperger: Der Test wird bezahlt, wenn es Hinweise auf Trisomien gibt, wie ein auffälliger Ultraschall. Er wird aber auch dann bezahlt, wenn eine Frau gemeinsam mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt zu der Überzeugung kommt, dass der Test in ihrer persönlichen Situation notwendig ist. Wenn sie zum Beispiel sagt, dass der Gedanke daran, dass das Kind das Downsyndrom haben könnte sie zu sehr belastet.

Die Kritik daran ist, dass der Test nicht die Kriterien erfüllt, um eine Kassenleistung zu sein. Er kann weder die Gesundheit der Schwangeren noch der des ungeborenen Kindes erhalten oder verbessern. Er dient lediglich dazu, den werdenden Eltern zu sagen: Gibt es eine Trisomie oder nicht? Es gibt auch die Befürchtung, dass die Einführung als Kassenleistung dazu führen könnte, dass der Test als Routine in der Schwangerschaft angesehen wird. Das führt zu mehr Druck auf die werdenden Eltern.

STANDARD: Befürworterinnen und Befürworter verweisen vor allem darauf, dass der Test keinerlei Risiken birgt. Außerdem könnte man sagen, dass es wichtig ist, dass Eltern das herausfinden – etwa weil sie sich das Leben mit einem Kind mit Trisomie 21 nicht zutrauen oder auch, weil sie sich schlichtweg darauf einstellen wollen.

Reinsperger: Das ist natürlich eine individuelle Entscheidung, die einem niemand abnehmen kann. Wichtig ist hier gute Beratung. Ein Problem ist sicher auch, dass viele gar keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen haben und sich nicht vorstellen können wie es ist mit einem Kind mit Trisomie 21 zu leben.

STANDARD: Andere Länder gehen bei der pränatalen Diagnostik andere Wege als Österreich. Können Sie kurz umreißen welche?

Reisperger: Wir haben uns für unsere Studie Deutschland, die Schweiz, Niederlande, Großbritannien, Norwegen und Italien angeschaut. Konsens herrscht beim Organscreening, das eigentlich in allen Ländern allen Schwangeren angeboten und auch finanziert wird. Bei den anderen Tests gibt es ganz unterschiedliche Herangehensweisen. In Italien, der Schweiz und Großbritannien wird das Ersttrimesterscreening allen Schwangeren angeboten. Wenn es hier ein auffälliges Ergebnis gibt, wird der NIPT durchgeführt – wobei die Werte, ab denen das gemacht wird, unterschiedlich definiert sind. In Norwegen und den Niederlanden wiederum wurde das Ersttrimesterscreening durch den NIPT ersetzt. In den Niederlanden kann jede Schwangere den NIPT mit einem Selbstbehalt durchführen lassen, ungefähr die Hälfte der Schwangeren nimmt das in Anspruch.

Die Studie hat gezeigt: Wenn es in einem Land ein staatlich geregeltes Screening-Programm gibt, hat das Vorteile. Es wird nicht privaten Firmen überlassen, die mit den Untersuchungen viel Geld verdienen. Außerdem können Qualitätskriterien für die Beratung festgelegt werden.

STANDARD: Viele werdende Eltern sind mit der Entscheidung, welche Untersuchungen sie machen sollen, überfordert. Welche Tipps können Sie ihnen geben, um sich klarer zu werden?

Reinsperger: Ich würde empfehlen, alle Informationen einzuholen und sich vorher zu überlegen, welche Folgen welches Testergebnis für einen hätte. Wie kann und will ich mit den möglichen Ergebnissen der Untersuchung umgehen? Wäre ich bereit für eine invasive Untersuchung? Die Gefahr der Tests ist, dass man dann noch mehr verunsichert ist. Man wünscht sich ein klares Ergebnis, das es aber oftmals nicht gibt. Man kann sich dann natürlich auch dafür entscheiden, keine weiteren Tests zu machen – hat dann aber trotzdem im Hinterkopf, dass etwas sein könnte. So richtig genießen wird man die Schwangerschaft dann vermutlich nicht mehr. (Interview: Lisa Breit, 19.7.2022)