Teamchefin Irene Fuhrmann und ihre Spielerinnen nach der Auftaktniederlage gegen England.

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Manchester – Kennen Sie dieses Gefühl? Man weiß, dass das ein Fünfer auf die Schularbeit wird – und dann ist man doch enttäuscht, wenn er schwarz auf weiß vor einem liegt. Ungefähr so dürfte es sich am Mittwochabend für Österreichs Teamspielerinnen und Teamchefin Irene Fuhrmann angefühlt haben.

Keeperin Manuela Zinsberger sagte: "Ich bin enttäuscht über das Ergebnis, weil ich jedes Match gewinnen möchte." Kapitänin Viktoria Schnaderbeck: "Ich habe gemischte Gefühle, weil wir natürlich was mitnehmen wollten." Mittelfeldspielerin Sarah Zadrazil: "Es ist ärgerlich, weil man nicht Fußball spielt, um zu verlieren."

Man erwartete im Vorfeld zum Auftaktmatch der Euro, das vor einer Rekordkulisse (69.000 Zuschauerinnen und Zuschauer) in Manchesters Old Trafford stattfand, nicht viel, und doch machte schlussendlich gerade einmal ein Tor den Unterschied im Ergebnis aus. Apropos Manchester: Es ist bemerkenswert, wie die nordenglische Stadt Fußballspiele dieser Größenordnung aus dem Ärmel schüttelt.

Da und wieder weg

Davon merkt man zwischen den Backsteinbauten wenig bis nichts. Und plötzlich geht es los, fast 70.000 Menschen sind da und schnell auch wieder weg. Als wäre es die Freiwillige Feuerwehr Kindberg, die ein Zeltfest aus dem Boden stemmt. Am Tag danach geht der Alltag ohne Fußball weiter. Bald ist wieder Premier League.

Österreich steht also nach dem ersten Spieltag mit null Punkten da. Und doch – so war man sich einig – war es eine beherzte, eine engagierte Vorstellung im "Theatre of Dreams". England war besser, England hatte mehr Torchancen, und England geht als verdienter Sieger vom Platz.

Aber Österreich zeigte, dass man sich vor den Topnationen nicht verstecken muss, nicht Gefahr läuft, abgeschossen zu werden. Das ist eine Steigerung. Auch gegenüber der Euro 2017 in den Niederlanden. Sinnbildlich für eine Mischung aus Weiterentwicklung und Neuentdeckungen im ÖFB-Team stehen Mittelfeldspielerin Zadrazil und Flügelspielerin Laura Wienroither.

Taktgeberin Zadrazil

Bayern-Legionärin Zadrazil agierte in den 90 Minuten gegen die favorisierten Lionesses auf Augenhöhe, die Mittelfeldspielerin bewies Ruhe am Ball und in ihren Entscheidungen. Die 29-Jährige war Taktgeberin, bestach außerdem durch Zweikampfstärke und Passstärke, teilte ihre Mitspielerinnen immer wieder ein.

Und da war da noch Wienroither. Die 23-jährige Arsenal-Kickerin spielte vor fünf Jahren noch zwischen Neulengbach und St. Pölten und stellte ihr großes Potenzial unter Beweis. Ihre Aufgabe war es, vor allem Lauren Hemp, eine der besten Flügelstürmerinnen der Welt, zu neutralisieren. Das gelang nicht immer, aber Wienroither bewies Zweikampfstärke, Lauffreudigkeit und Tempo.

Was wäre wenn

Natürlich kann man die Frage stellen, die im Fußball so gar nichts zählt: Was wäre wenn? Was wäre, wenn Barbara Dunsts Schuss in der 78. Minute nicht von Keeperin Mary Earps entschärft worden wäre? Was wäre, wenn Zinsberger nicht kurz vor der Pause das 0:2 verhindert hätte? Alles wurscht.

Fuhrmann: "Wir wollen das Spiel so schnell wie möglich abhaken. Jetzt geht es gegen Nordirland." Am Montag wird in Southampton um 18 Uhr angekickt. Man muss gewinnen, um ins Viertelfinale zu kommen. Braucht also einen Einser auf die Schularbeit. (Andreas Hagenauer aus Manchester, 7.7.2022)