Weder mit Liebe noch mit einvernehmlichen Sex hat zu tun, wozu drei Frauen ein junges Opfer gezwungen haben: sich in einer Wohnung zu prostituieren.

Foto: Heribert Corn

Wien – Mitunter bieten Strafverfahren die Möglichkeit, Einblicke in Lebenswelten zu bekommen, die man eigentlich gar nicht so genau kennen möchte. Das von Katharina Adegbite-Lewy geleitete Schöffenverfahren um Zuhälterei und grenzüberschreitenden Prostitutionshandel gegen drei weibliche Mitglieder der Familie D. ist so ein Fall. Nicht nur die angeklagten Verbrechen sind furchtbar, auch die Biografien der Angeklagten klingen trostlos.

Die 40-jährige Mutter arbeitet als Reinigungskraft, 2018 wurde sie nach einem Ladendiebstahl zu einer Geldstrafe verurteilt. Die 22 Jahre alte Zweitangeklagte ist ihre ältere Tochter. Ihr Vater ist unbekannt, ihre Lehre brach sie mit 17 ab, als sie ihr Kind bekam. Nun ist sie arbeitslose Alleinerzieherin und lebt von 700 Euro Arbeitslosengeld plus Kinderbeihilfe. Nummer drei auf der Anklagebank ist die 18-jährige Tochter der Haupangeklagten. Auch sie kennt ihren Vater nicht, wurde mit 15 Jahren schwanger und brach daraufhin die Schule ab. Auch sie kam bereits einmal mit dem Gesetz in Konflikt, ein Ladendiebstahl führte zu einer Diversion.

In Swingerclub-Forum angepriesen

Die Staatsanwältin wirft dem von Werner Tomanek verteidigten Trio vor, Ende August 2020 eine junge Serbin mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt zu haben, um sie hier der Prostitution zuzuführen und auszubeuten. Sobald das Opfer im Land war, nahm man ihm den Pass ab, schlug es und zwang es, sich im Kabinett der kleinen Wohnung in Wien-Meidling mit Männern zu treffen. Die Freier fand man über das Internetforum eines Wiener Swingerclubs; da das Opfer kein Deutsch sprach, chatteten die Frauen mit den Männern und arrangierten Treffen.

Vom 4. September bis zum 25. September 2020 musste die junge Serbin sich prostituieren, die Einnahmen von über 3.000 Euro wurden ihr von den Angeklagten restlos weggenommen. Als sie heftige Zahnschmerzen bekam, dauerte es fünf Tage, bis sich die Mutter bereiterklärte, mit ihr zum Arzt zu gehen – dort konnte sich das Opfer Mitarbeitern anvertrauen, wodurch der Fall aufflog.

Verschwundener Welpe

Auf Anraten des Verteidigers bekennen sich die drei Österreicherinnen lediglich schuldig und wollen sonst keine Angaben machen. Privatbeteiligtenvertreterin Brigitte Loacker versucht trotzdem, Antworten auf eine Frage zu bekommen, die ihrer Klientin besonders wichtig ist: "Die Frau hat aus Serbien einen fünf Monate alten Welpen mitgebracht. Der ist nach einem Kindergeburtstag plötzlich aus der Wohnung verschwunden gewesen. Was ist mit dem Hund passiert ?", will sie wissen. "Ich weiß nicht, was mit dem Hund passiert ist, und habe nichts damit zu tun", sagt die Erstangeklagte. "Ich habe ihn nicht weggebracht", die zweite. "Ich weiß es nicht", antwortet die Jüngste.

Für Letztere beantragt Tomanek eine diversionelle Erledigung, da sie nur der dominanten Mutter zuliebe mitgemacht habe und zum Tatzeitpunkt erst 16 Jahre alt gewesen sei. Die Staatsanwältin spricht sich dagegen aus, ebenso Privatbeteiligtenvertreterin Loacker. "Für meine Mandantin ist das jetzt noch nicht vorbei", sagt Loacker, die Frau müsse auch zwei Jahre später noch psychotherapeutisch behandelt werden. Sie will 11.370 Euro an Schmerzengeld und Verdienstentgang von den Angeklagten, die Mutter verspricht, die Summe zu zahlen.

"Start-up im Hinterzimmer"

"Es ist sehr unschön, was hier passiert ist", konzediert der Verteidiger in seinen Schlussworten. Aber das Opfer habe bereits davor kein leichtes Leben gehabt, merkt er an: Mit elf sei die Serbin in der Familie sexuell missbraucht worden, danach wuchs sie in einem Waisenhaus auf. Tomanek kokettiert auch mit seinem Erfahrungsschatz: Die Angeklagten hätten quasi ein Start-up im Hinterzimmer betrieben, Zuhälterei mit einer Frau "ist halt – vorsichtig gesagt – die Einsteigerversion". In seinen Anfangsjahren habe er regelmäßig Zuhälter vertreten, die sich durch dicke Pelzmäntel, dicke Ringe und dicke Autos auszeichneten und mehrere Opfer anschaffen ließen, reminisziert er.

Beim Senat hinterlässt er wenig Eindruck. Die Mutter wird zu 21 Monaten bedingter Haft und einer unbedingten Geldstrafe von 180 Tagsätzen à vier Euro – also 720 Euro – verurteilt. Ihre ältere Tochter bekommt 15 Monate bedingt, die 18-Jährige sechs Monate bedingt, zusätzlich wird dem Teenager aufgetragen, eine Psychotherapie zu machen und Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen. "Damit Sie vielleicht aus diesen Kreisen herauskommen", hofft Vorsitzende Adegbite-Lewy. (Michael Möseneder, 7.7.2022)