Undercover im Gefängnis: Taron Egerton als Jimmy Keene.

Foto: Apple TV+

Lauren McCauley (Sepideh Moafi) und Brian Miller (Greg Kinnear) ermitteln.

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Kein gemütlicher Plausch: Larry Hall (Paul Walter Hauser) und Jimmy Keene (Taron Egerton).

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Larry Hall kennt sich auf Friedhöfen aus wie kein anderer, Hunderte Gräber hat er als Sohn eines Friedhofsgärtners schon ausgehoben. Jetzt geht es aber um ein ganz bestimmtes Grab: Hat er Patricia Reitler ermordet und verscharrt – oder hat er nicht? Das soll der gefallene Football-Star Jimmy Keene ab 8. Juli in der Miniserie "Black Bird" auf Apple TV+ herausfinden. Im Deutschen denkt man bei einem "Black Bird" wohl zuerst an eine Krähe. Würde auch passen, hier ist aber eine Amsel gemeint, die sich mindestens genauso gerne auf Friedhöfen umtreibt.

Jimmy Keene wäre in diesem Vergleich dann eher ein Kanarienvogel, der am liebsten Partys mit reichlich Kokain schmeißt. Nach einer solchen Nacht bleibt der Käfig allerdings zu, Jimmy wird wegen Drogen- und Waffenbesitzes zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis blüht er beinahe auf, mit den mexikanischen Kartellen kommt er ebenso gut zurecht wie mit den Chicagoer Cabrini-Green-Gangmitgliedern. Dank eines florierenden Pornomagazinverleihs kann er sich sogar sein frisches Gemüse leisten. Nach dem Schlaganfall seines Vaters will Jimmy dann aber doch schneller zurück in die Freiheit.

Der Ausweg winkt in Form eines Angebots des FBI: Hilft er ihnen, aus dem mutmaßlichen Serienmörder Larry Hall ein Geständnis herauszubekommen, wird Jimmy freigelassen. Unverzüglich, ohne weitere Bedingungen. Der Haken? Selbst ein Dampfplauderer wie Jimmy könnte Probleme bekommen, sich mit dem verhaltensauffälligen Hall anzufreunden. Und in ein Hochsicherheitsgefängnis voller Schwerverbrecher wird er außerdem verlegt. Na bumm!

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Mit dem Nackenkissen zum Drogendeal

Der wahre Jimmy Keene hat seine Erlebnisse in einer Autobiografie festgehalten, Bestsellerautor Dennis Lehane ("Shutter Island") machte daraus ein Drehbuch, das Hauptdarsteller Taron Egerton eine große Spielwiese bietet. Zum Drogendeal fährt er mit protzigem rotem Sportwagen, vergisst aber nicht, seinem Geschäftspartner Roger ein Nackenstützkissen mitzunehmen – beim letzten Deal habe sich dieser ja über seinen steifen Nacken beschwert. Da wäre auch Papa "Big Jim" stolz auf ihn. Ray Liotta ("Goodfellas") spielt den Ex-Polizisten, der in seinem Sohn nur ein "vom Weg abgekommenes Kind" sieht.

Ein wahres Highlight der Miniserie ist die Chemie zwischen Egerton und Paul Walter Hauser, der den mutmaßlichen Serienmörder Larry Hall verkörpert. Der Backenbart zeigt Halls Begeisterung für den Amerikanischen Bürgerkrieg auf den ersten Blick. Damals wären Mädchen noch früher als Frauen betrachtet worden. 13, 14 Jahre, das sei das richtige Alter, findet Larry. Wie unaufgeregt und beinahe unschuldig er das erzählt – da fällt es sogar Jimmy schwer, sein Pokerface zu bewahren.

Zwischen Maisfeldern und Tankstellen

Die Unschuld in der hauchenden Stimme bewahrt Larry lange vor einer Verhaftung. Der lüge doch, der wolle sich doch nur wichtigmachen, sind sämtliche Polizeisheriffs in den Rückblenden zu Beginn der Ermittlungen überzeugt. Nur einer wird skeptisch, zwischen Maisfeldern und Tankstellen macht sich Greg Kinnear als Brian Miller auf die Suche nach Spuren der vermissten Mädchen.

Als der Verdacht eines Serienmörders aufkommt, bekommt er Unterstützung von der FBI-Agentin Lauren McCauley. Sepideh Moafi überzeugt in der Rolle als Bindeglied zwischen den beiden Zeitebenen. An ihr wird deutlich, dass auch noch so genaue Ermittlungsarbeit manchmal keine Früchte trägt und zu verzweifelten Maßnahmen gegriffen werden muss. Sie bleibt damit aber leider die einzige Frau in der Hauptbesetzung, hier hätte man sich trotz Inspiration durch wahre Ereignisse einen weiblicher besetzten Erzählstrang gewünscht.

Die Serie schafft den Sprung zwischen psychologischem Thriller und Häftlingsstudie. Hauptdarsteller Egerton betonte in Interviews, wie nah ihm der wochenlange Dreh in einem echten Gefängnis gegangen sei. Sind hier die Gittertüren zu, bleiben sie es auch, bis der Regisseur "Cut" ruft. Gezielt fokussiert sich die Serie auf Jimmy Keene als Undercover-Häftling und die Mordermittlungen. Wo andere True Crime-Verfilmungen die Täter heroisieren, zeigt "Black Bird" die Auswirkungen ihrer Taten.

Das Setting im Jahr 1996 erlaubt den Machern von "Black Bird" zudem einen Soundtrack voller 90er-Jahre-Hits von den Low Fidelity Allstars oder den Nine Inch Nails. (Astrid Wenz, 7.7.2022)

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