Im Gastblog gibt die Elternratgeberin Barbara Buchegger Tipps für den Umgang mit zu viel Bildschirmzeit. 

Frage: Coronabedingt war mein elfjähriger Sohn echt viel am Handy und Tablet. Jetzt bekomme ich ihn einfach nicht mehr davon weg. Ist er handysüchtig? Was kann ich dagegen tun?

Barbara: Sie sprechen ein Thema an, das seit der Pandemie sehr viele Eltern beschäftigt. Geräte wie Handys sind während Corona für uns alle noch wichtiger geworden: ob als Arbeits- und Lernort, um mit dem Freundeskreis und der Familie zu kommunizieren oder einfach zur Unterhaltung. Und gerade jetzt in den Ferien verbringen viele Kinder und Jugendliche noch mehr Zeit am Smartphone oder PC als sonst.

Viele Kinder nutzen das Handy, um Orientierungslosigkeit und Stress zu entkommen.
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Ihre Sorge ist also verständlich. Aber ich kann Sie beruhigen: Für eine echte Sucht ist nicht die Dauer ausschlaggebend, die Ihr Sohn online ist. Vielmehr geht es um die Gründe, warum er so viel Zeit mit Handy und Tablet verbringt und ob sein Sozialleben darunter leidet.

Finden Sie also zunächst heraus, was der digitale Mehrwert für Ihren Sohn ist: Muss er dadurch etwas kompensieren? Gibt es unerkannte Probleme im echten Leben, zum Beispiel Schwierigkeiten in der Schule? Dient ihm die Online-Welt als Zufluchtsort vor der realen Welt? Versuchen Sie, mit Ihrem Sohn ins Gespräch zu kommen, ohne ihm gleich Vorwürfe wegen seines hohen Smartphone-Konsums zu machen. Helfen Sie Ihm, allfällige Konflikte im echten Leben zu meistern, anstatt vor diesen davonzulaufen.

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Alternativen zu digitalen Geräten anbieten

Schauen Sie sich an, wie der Alltag Ihres Sohnes strukturiert ist. Corona hat den gewohnten Rhythmus einiger Familien durcheinandergebracht. Viele Kinder im Alter Ihres Sohnes haben ihr erstes Schuljahr an AHS, Hauptschule etc. nicht vor Ort, sondern im Distance Learning erlebt. Auch wenn seit der Rückkehr zum Präsenzunterricht alles wieder relativ normal scheint: Die Auswirkungen sind noch spürbar, vor allem beim Thema Bildschirmzeit.

Wenn die Strukturen fehlen und der Druck im Alltag überfordert, nutzen viele Kinder Handys und Computerspiele, um der Orientierungslosigkeit und dem Stress zu entkommen. Oft würden sie selbst gern weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen, wissen aber nicht, wie. Bieten Sie Ihrem Sohn daher Alternativen an, die ihn aus dem digitalen Alltagstrott herauslocken: Überlegen Sie, welche Aktivitäten seinen Interessen entsprechen und machen Sie ihm konkrete Vorschläge. Egal, ob Schnitzeljagd oder kreatives Projekt: Probieren Sie gemeinsam neue Dinge aus, die Spaß machen. Und zeigen Sie ihm, wie er sich ohne digitale Medien entspannen kann – zum Beispiel mit Yoga- und Atemübungen oder Sportarten, die auspowern.

Denken Sie dabei an Ihre Vorbildwirkung: Leben Sie Ihrem Sohn vor, wie Sie Ihre Freizeit ohne digitale Geräte verbringen. So lernt auch er einen anderen Umgang damit!

Regeln zur Mediennutzung aufstellen

Vereinbaren Sie Verhaltensregeln für die Handy- und Internetnutzung. Wichtiger als starre zeitliche Limits ist es – auch in Bezug auf das Alter Ihres Sohnes – diese Regeln gemeinsam aufzustellen. Einige Regeln werden nur Ihren Sohn betreffen (zum Beispiel, was mit dem Handy während der Hausaufgaben passiert), andere sollten für alle Familienmitglieder gelten (etwa handyfreie Zeiten während gemeinsamer Mahlzeiten). Auch die Konsequenzen bei Nichteinhaltung sollten klar definiert sein. Und diese müssen für Sie genauso gelten wie für Ihren Sohn!

Vielleicht gibt es in Ihrer Familie ja bereits solche Verhaltensregeln. Dann kann es notwendig sein, diese anzupassen – denn was vor Corona Sinn gemacht hat, ist inzwischen nicht mehr aktuell. Dass unsere Kinder seit der Pandemie viel mehr online sind, können wir nicht einfach rückgängig machen. Hier liegt es also an uns Erwachsenen, ein Stück weit toleranter zu sein.

Wichtig ist letztlich, eine gute Balance aus Erholung, Bewegung an der frischen Luft, Treffen mit Freundinnen und Freunden und dergleichen zu finden. Wenn keiner dieser Bereiche zu kurz kommt, dürfen Sie beim Handykonsum Ihres Sohnes auch mal ein Auge zudrücken.

Klar ist aber auch: bei einer echten Handysucht handelt es sich um eine Krankheit – und die können nur Fachkräfte diagnostizieren. Scheuen Sie sich also nicht, professionelle Hilfe bei einer Beratungsstelle in Anspruch zu nehmen, wenn Sie nicht weiterwissen! (Barbara Buchegger, 1.8.2022)

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