Der Springer-Konzern ist eines jener Medienhäuser, gegen deren Berichterstattung sich eine junge Witwe erfolgreich gewehrt hat.

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Wien – "Only bad news are good news" lautet eine eherne Regel des Mediengeschäfts. Recht viel schlechtere Nachrichten als die über eine 30-jährige Österreicherin, deren Mann im Urlaub bei einem Unglück, das sie knapp überlebte, starb, kann es kaum geben. Unter Schlagzeilen wie "Todesdrama in den Flitterwochen" brachten Boulevardmedien im deutschsprachigen Raum die Geschichte – wogegen die Frau klagte.

Richter Stefan Romstorfer ist für zwei dieser Verfahren zuständig: jenes gegen "Heute" und jenes gegen den Axel-Springer-Konzern, der die "Bild" herausgibt. Die von den Anwälten der Medien in den Prozessen vorgebrachten Argumente sind – nun ja – originell. So heißt es, die verwendeten Bilder, etwa jenes, auf dem sich die weinende Klägerin über den halboffenen Leichensack mit ihrem toten Gatten beugt, seien in Ordnung, da man davon ausgehen könne, die Frau habe den Aufnahmen zugestimmt.

Schaulustige verbreiteten Aufnahmen

Tatsächlich stammten sie von Schaulustigen, die die Aufnahmen im Internet verbreiteten. "Ich habe nichts mitbekommen, ich habe mit niemandem interagiert und wurde von niemandem kontaktiert", sagt die Klägerin als Zeugin. Darüber hinaus stimme in den Artikeln vieles faktisch nicht: Entgegen der Berichterstattung habe nicht ihr Mann sie in letzter Sekunde gerettet, es sei nur einem Zufall zu verdanken, dass sie überlebt habe. Sie sei auch im Gegensatz zu den Meldungen verletzt worden. Und ihr höchstpersönlicher Lebensbereich sei auch dadurch verletzt worden, da über ihre Schwangerschaft berichtet wurde – davon hätten aber nur die Hochzeitsgäste gewusst.

Bereits bei der Rückkehr sei sie vom Flughafenpersonal auf die Katastrophe angesprochen worden, später hätten sie auch Kunden und Kolleginnen immer wieder nach Details gefragt. Selbst ihr Gynäkologe im Spital habe gesagt, wie toll es sei, dass ihr Mann sein Leben geopfert habe, um sie zu retten, was aber nicht stimme. Die "mediale Ausschlachtung" des Unglücks sei "das Niederträchtigste, was man sich vorstellen kann", prangert Maximilian Donner-Reichstädter, der Rechtsvertreter der Frau, an.

"Bild" bestreitet Verfügbarkeit

Während "Heute" nach Klagseinbringung die Online-Bildersammlung von Urlaubsfotos offline nahm, zeigte man sich bei der "Bild" wenig konziliant. So bestreitet der Anwalt der Zeitung zunächst, dass die gedruckte "Bild am Sonntag" in Österreich überhaupt verbreitet werde. Es ist daher ein zweiter Verhandlungstag nötig, um Zeugen aus der Pressevertriebsbranche zu hören, die sagen, dass das doch so sei.

In seinem Schlussplädoyer argumentiert "Bild"-Anwalt Michael Borsky damit, dass das Medium eigentlich der ehrenvollen Aufgabe des Memento mori nachgekommen sei. "Es ist traurig, schrecklich. Aber auch eine Warnung für uns alle", sagt er. Dass es seinen Berufskollegen Donner-Reichstädter besonders empört, dass die "Bild" den Text "aus reiner Profitgier hinter einer Bezahlschranke" auf der Webseite platziert habe und im kostenlos zugänglichen Teil mit dem "Leichensack-Foto" dafür geworben hat, kann Borsky nicht nachvollziehen. Die Reichweite sei dadurch ja sogar verringert, streicht er einen positiven Aspekt hervor.

Bei Richter Romstorfer findet er damit kein Gehör. "Viel verwerflicher kann man einen Artikel nicht machen", begründet er, warum er der Klägerin insgesamt 20.000 Euro Entschädigung zuspricht. "Das war schon eklatant – da kann man eigentlich nicht mehr sagen, dass das passiert ist, es sieht nach Absicht aus", meint Romstorfer. Auch er kritisiert das Clickbaiting, um Kundinnen und Kunden zum Passieren der Bezahlschranke zu animieren. "Heute" muss für die auf unterschiedlichen Kanälen verbreitete Geschichte ebenso eine Entschädigung zahlen, in diesem Fall bekommt die Klägerin 18.000 Euro zugesprochen. Diese Entscheidung ist bereits rechtskräftig, jene gegen die "Bild" noch nicht. Verfahren gegen weitere Medien sind noch anhängig. (Michael Möseneder, 8.7.2022)