Eine Universität, die die vielfältigen Aspekte einer von der Digitalisierung getriebenen Technik, Wirtschaft und Gesellschaft ganzheitlich in den Blick nimmt, das klingt klug und zukunftweisend, meint der Mathematiker und Wissenschaftssprecher der ÖVP, Rudolf Taschner, im Gastkommentar.

Als im August 2020 Bundeskanzler Sebastian Kurz die Errichtung einer technischen Universität in Linz ankündigte, meldete sich bei mir zunächst Skepsis: Benötigt Österreich neben der Johannes-Kepler-Universität am selben Ort eine weitere Universität, zumal in der bestehenden Universität sehr erfolgreich geforscht und gelehrt wird?

Doch dann weckte der angekündigte Wirkungsbereich der neuen Universität meine Zustimmung: Waren im 19. Jahrhundert vornehmlich Mechanik und Thermodynamik die zentralen Themen technischer Universitäten, waren es im 20. Jahrhundert vornehmlich Elektrodynamik und die von der Quantentheorie geprägte Chemie, werden es im 21. Jahrhundert Informationstechnologie und Digitalisierung sein. Eine Universität, welche die vielfältigen Aspekte einer von der Digitalisierung getriebenen Technik, Wirtschaft und Gesellschaft ganzheitlich in den Blick nimmt, das klingt klug und zukunftweisend.

Die Nähe zum Ars Electronica Center könnte einer der Anziehungspunkte der neuen Hochschule werden.
Foto: imago images/Wolfgang Simlinger

Es soll an dieser neuen Institution geforscht und gelehrt werden. Darum betrachte ich den derzeitigen Namen als Arbeitstitel. Natürlich soll sie "Universität" oder "University" heißen. Und ich empfehle eindringlich, dieses Wort mit einer Person so zu verbinden, wie es bei der Johannes-Kepler-Universität der Fall ist. Olga Taußky, die eminente österreichisch-amerikanische Mathematikerin, ist hierfür ideal: eine Pionierin der numerischen Methoden, die aller Digitalisierung zugrunde liegen. Sie besuchte in Linz das Gymnasium und bewies bereits als Schülerin einen Satz über Polynomentwicklungen.

Also "Olga-Taußky-Universität". Was soll sie auszeichnen?

Vorstellbar wäre: Es gibt in ihr eine beschränkte Zahl an Professorenstellen, beispielsweise sieben (personenbezogene Bezeichnungen gelten genderunabhängig). Auf diese Stellen werden weltweit anerkannte, absolute Koryphäen ihres Faches berufen. Sie kommen an die Olga-Taußky-Universität nach Linz, aber nur auf Zeit: für ein Jahr, für zwei Jahre, maximal für drei. Dann kehren sie wieder zurück oder ziehen weiter: nach Stanford oder nach Cambridge oder an die ETH Zürich, ans Steklow-Institut – you name it. In ihrer Zeit in Linz aber halten sie Vorlesungen, die elektronisch global verbreitet werden, sammeln sich aus den rund hundert brillanten Studenten aus Linz und der Welt, die an der Olga-Taußky-Universität studieren, in Seminaren und Privatissima die besten für Dissertationen und Forschungsarbeiten.

Auf die Skeptiker hören

Warum kommen diese Koryphäen nach Linz? Weil sie das geistige Klima an der Olga-Taußky-Universität inspiriert. Weil sie die vielfältige Zusammenarbeit mit der Johannes-Kepler-Universität, mit der Ars Electronica, mit den drei österreichischen technischen Universitäten und mit vielen anderen akademischen Institutionen schätzen. Weil ihre und ihrer Studenten Arbeiten in Industrie und Wirtschaft ihren Niederschlag finden. Weil sie in Linz und seiner Umgebung, reichend nach Salzburg, nach Wien, ins Salzkammergut und darüber hinaus kulturelle Schätze wie nirgendwo sonst finden. Weil sie völlige Freiheit in einem akademischen Paradies genießen.

Weil es schlicht höchst attraktiv ist, für eine gewisse Zeit an der Olga-Taußky-Universität zu lehren und zu forschen.

Und welchen Nutzen ziehen die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Industrie daraus? Die magnetische Wirkung akademischer Spitzeninstitutionen ist enorm. Sie befördern, wie kaum andere sonst, das Wachstum von Wohlstand.

Das Rahmengesetz, das der Nationalrat beschließt, lässt die eben beschriebene Skizze zu: die Olga-Taußky-Universität: klein und koryphäenreich – Olga-Taussky-University: small and smart.

Es könnte bessere Modelle geben. Ich will mich dem nicht verschließen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Es könnte aber auch misslingen. Der Wissenschaftsminister ist gut beraten, auf skeptische und kritische Stimmen, so von Rektorin Sabine Seidler, von Professor Sepp Hochreiter, zu hören. Der Minister nimmt mit diesem Rahmengesetz eine große Verpflichtung und Verantwortung auf sich: In der neuen Universität wird das Herausragende als selbstverständlich erwartet. Durchschnitt gilt als ungenügend. (Rudolf Taschner, 8.7.2022)