Rund sechs Jahre lebte Frau C. in Belgien und zog dort ihre beiden Söhne groß. Benachteiligt dürfe sie deshalb nicht werden, so der Gerichtshof.

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Kindererziehungszeiten sind in Österreich Versicherungsmonate. Bis zu 48 Monate pro Kind sind in der Pensionsversicherung unter bestimmten Voraussetzungen anrechenbar. Komplex gestalteten sich diese Berechnungen im Fall einer Alterspensionsbezieherin, die einige Jahre im EU-Ausland gelebt hatte. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) verweigerte bei der Anspruchsberechnung die Berücksichtigung von Beitragsmonaten, in denen Frau C. mit ihren Söhnen in Belgien und Ungarn lebte.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) befragte daraufhin den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu den Voraussetzungen, unter denen die PVA Kindererziehungszeiten in anderen Mitgliedsstaaten berücksichtigen muss. Dieser kam zu dem Schluss, dass eine Berücksichtigung in diesem Fall geboten ist.

Die heute 65-jährige Österreicherin war 1968, nachdem sie in Österreich eine Lehre absolviert hatte und selbstständig erwerbstätig gewesen war, zum Studieren nach Großbritannien gezogen. Danach lebte sie von 1987 bis 1993 in Belgien, wo sie zwei Söhne zur Welt brachte. In dieser Zeit war sie nicht erwerbstätig und widmete sich ausschließlich der Kindererziehung. Außerdem hielt sie sich in dem Zeitraum jeweils auch etwa einen Monat in Ungarn und in Großbritannien auf. Anfang 1993 kehrte sie wieder nach Österreich zurück, wo sie bis 2017 erwerbstätig war, Beitragsmonate erwarb und schließlich auch ihre Pension beantragte.

Zu wenig für Frau C.

1079,15 Euro pro Monat, so lautet den Berechnungen der PVA 2017 zufolge ihr Pensionsanspruch. 366 in Österreich erworbene Versicherungsmonate, einschließlich Kindererziehungszeiten in Österreich, hatte die PVA ihren Berechnungen zugrunde gelegt. Zu wenig, fand Frau C., denn die rund 62 Beitragsmonate, die sie in Belgien und Ungarn mit der Kindererziehung zugebracht hatte, blieben von der Versicherungsanstalt unberücksichtigt.

Die PVA argumentierte, dass die Voraussetzungen nach Artikel 44 der Verordnung Nr. 987/2009 nicht erfüllt seien. Die PVA rechnete nur jene 13 Monate Kindererziehung mit ein, die Frau C. seit ihrer Rückkehr in Österreich erbracht hatte, sowie einen Monat, in dem sie sich unmittelbar davor in Großbritannien aufgehalten hatte.

EUGH gab Pensionistin recht

Frau C. ging gegen diese Entscheidung vor. Nachdem ihre Klage in erster und zweiter Instanz abgewiesen worden war, erhob sie Revision beim OGH, der dem EuGH den Fall für eine Vorabentscheidung vorlegte. Die Luxemburger Richter verkündeten am Donnerstag, dass ihre in anderen EU-Staaten erbrachten Kindererziehungszeiten bei der Berechnung der Pension zu berücksichtigen seien.

Der pensionszahlungspflichtige Mitgliedsstaat, "in dem eine Person ausschließlich gearbeitet und Beiträge geleistet hat, und zwar sowohl vor als auch nach der Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen EU-Staat, in dem sie sich der Erziehung ihrer Kinder gewidmet hat" – im konkreten Fall Österreich –, müsse die Kindererziehungszeiten berücksichtigen, so das EuGH-Urteil – auch wenn die Voraussetzungen des Artikels 44 nicht erfüllt seien. Andernfalls wäre die Person benachteiligt, nur weil sie ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt habe. (Viktoria Kirner, 7.7.2022)