Im Gesundheitsbereich gelten bald wieder strengere Maßnahmen.

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Wenn sich Wiens Stadtchef Michael Ludwig (SPÖ) in Zeiten steigender Corona-Infektionszahlen mit seinen Fachleuten berät, dann sind meist eine Pressekonferenz und eine Verschärfung der Regeln das Ergebnis. So auch am Donnerstag: "Die Situation ist angespannt, deshalb gehen wir unseren konsequenten Wiener Weg weiter", verkündete Ludwig. Subtext: Im Unterschied zur Bundesregierung, die derzeit keinen Anlass für Nachbesserungen sieht, handle Wien in der gegenwärtigen Sommerwelle.

Frage: Welche neuen Regeln gelten ab wann in Wien?

Antwort: Die Verschärfungen betreffen den Gesundheitsbereich und sollen laut Ludwig "so bald wie möglich" verordnet werden. Erstens wird die FFP2-Maske für das Personal in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen wieder durchgehend Pflicht. Und zweitens wird in derartigen Einrichtungen die Zahl der Besuche beschränkt: Pro Patientin oder Patient und Tag sind künftig nur noch drei PCR-getestete Besucherinnen oder Besucher erlaubt.

Frage: Wo hat Wien bereits jetzt strengere Maßnahmen, als sie der Bund vorgibt?

Antwort: Während Anfang Juni im Rest des Landes die FFP2-Maske weitgehend fiel, wurde in Wien die Tragepflicht in Apotheken und in öffentlichen Verkehrsmitteln beibehalten. Diese besteht in und außerhalb Wiens auch bei Besuchen in Spitälern sowie Pflegeheimen. Bei Letzteren muss in Wien zusätzlich ein negativer PCR-Test vorgelegt werden, in den anderen Bundesländern gilt hier die 3G-Regel. Unterschiede bestehen auch bei der Quarantäne: In Wien dauert diese grundsätzlich zehn Tage, ein Freitesten ist nach fünf Tagen möglich. Im Rest des Landes kann die Absonderung bereits ab dem fünften Tag automatisch beendet werden, sofern mindestens 48 Stunden davor die Symptome weg sind.

Frage: Ist es mit den jüngsten Verschärfungen getan?

Antwort: Danach sieht es nicht aus. Ludwig und seine Fachleute haben bereits Maßnahmen in petto, die "bei Bedarf" zum Einsatz kommen sollen. "Ich gehe davon aus, dass das Ende August so weit sein wird", sagte der Bürgermeister. Ob dann eine Rückkehr der FFP2-Maske im Handel möglich sei, verriet er nicht.

Frage: Wäre denn eine solche Maskenpflicht virologisch sinnvoll?

Antwort: Ja, findet Dorothee von Laer, Virologin von der Med-Uni Innsbruck. Zwar könnte man die aktuell ansteigende Welle dadurch nicht komplett stoppen, aber sicherlich abflachen. Warum man sich so davor scheut, die Maskenpflicht wieder breiter einzuführen, versteht die Virologin nicht: "Wir tragen auch Helme am Fahrrad und Gurte im Auto. Warum soll man in öffentlichen Räumen keine Masken tragen? Wir sprechen nicht von Lockdowns oder Schulschließungen." Die Verschärfungen im Gesundheitsbereich sind laut von Laer sinnvoll zum Schutz vulnerabler Menschen.

Frage: Wie schätzen Fachleute das Infektionsgeschehen aktuell ein?

Antwort: Die meisten gehen davon aus, dass wir langfristig mit Omikron zu tun haben werden. Trotzdem kann das Virus immer mutieren. Aktuell wurden in Indien drei Omikron-Subtypen entdeckt. Zwar gibt es bisher nur wenige Fälle von BA.2.74, BA.2.75 und BA.2.76, aber die Ausbreitung sei höher als angenommen, glaubt Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In Indien werde sehr wenig sequenziert. Es bleibe abzuwarten, ob sich einer der neuen Typen gegen das derzeit dominante BA.5 durchsetzt.

Die neuen Subtypen weisen allerdings so viele Mutationen auf, dass sie mit BA.5 koexistieren könnten. Deshalb werden sie wohl auch "sehr wahrscheinlich einen Effekt auf die Umgehung des Immunschutzes haben", sagt Elling. Wie genau dieser aussieht und ob die neuen Typen den Immunschutz tatsächlich besser umgehen könnten, ist aber noch offen. Virologin von Laer bleibt vorerst vorsichtig optimistisch: "Noch scheinen die neuen Subtypen nicht die Fähigkeit zu haben, BA.5 zu überholen, aber es ist noch zu früh, um das gänzlich auszuschließen. Man muss abwarten." (Stefanie Rachbauer, Magdalena Pötsch, 7.7.2022)