Die Arbeitsfähigkeit wiederherstellen. Das ist der Auftrag im Urlaub. Also: sich erholen, damit danach alles mit frischester Kraft im Job weitergehen kann. Vergessen. Die Seele baumeln lassen. Wirklich leben. Sich wieder spüren. Das gilt offenbar als der genaue Widerspruch zum Arbeitsleben, wie es sehr viele Menschen empfinden, indem sie Nummern, Ausführende, Untergebene sind und eigentlich tun müssen, was sie kaum wollen.

Genau diesen Gegensatz versuchen junge Menschen, denen gerne nachgesagt wird, sie wollten sich nicht mehr "voll reinhaun" in die Arbeit, mit aller Kraft aufzulösen, indem sie ihr Arbeitsleben mit Urlaubsfeeling, also Sinn, Empfindung, Authentischsein, füllen. Die meisten Firmen verstehen das wohl nicht und bestehen auf dem guten alten Gegensatz der unversöhnlichen Brüder Freizeit und Arbeit. Hochbrisant.

Urlaub ist nie eine triviale Sache heutzutage. Zweifel mischen sich in die Vorfreude. Dürfen wir fliegen? Sollen wir das Geld lieber sparen für all die erhöhten Rechnungen?
Foto: Getty Images/iStockphoto

Aber tatsächlich ist Urlaub ja nie eine triviale Sache heutzutage. Zweifel mischen sich in die Vorfreude. Dürfen wir fliegen? Sollen wir das Geld lieber sparen für all die enorm erhöhten Rechnungen in der Inflation? Statistisch gesehen führt Urlaub ja auch sehr oft zu Scheidungen – man und frau ist einfach 24/7 aufeinandergeworfen, und da tauchen Aspekte der Persönlichkeit auf, die überraschen können. Die Kinder verstehen sich halt auch nicht immer so süß geschwisterlich wie im Märchen – das kann so anstrengend sein im Urlaub.

Bewusste Auszeit

Wer all diese Themen nicht oder sie schon erledigt hat, dem tun sich möglicherweise wiederum ganz andere Perspektiven auf: Urlaubsabbau zu einer Zeit, wo das berufliche Anliegen notgedrungen leiden muss. Oder die Gewissheit, dass sich Konkurrenten an der Abwesenheit ausgiebig laben, sie benützen, und dass die Zeit nach der Rückkunft wirklich hart wird. Oder ein Urlaub, der gefühlt keiner ist, weil weg sein ein großes Stück weg vom Machtspiel bedeutet. Vielleicht schlägt dann gleich das Phänomen Leisure-Sickness, also Erkrankung, sobald der Stress ein wenig nachlässt, ein. So oder so gilt die Gleichung, dass Urlaub das gute Gegenstück zur Arbeit ist, vielerorts und für viele Menschen nicht. Auch nicht für jene, die sich nach Urlaub, nach Ein-paar-Kilometer-weg-Sein vom Alltag sehnen und es sich nicht (mehr) leisten können.

Was auch immer individuell Sache ist: Urlaub ist so gut wie nie trivial. Wenn Urlaub nur die extreme Antithese zum Job ist, dann stimmt mit der Arbeit ja etwas nicht – da haben die Jungen schon recht. Aber ohne Abstand vom täglichen Trott sieht man schlecht. Und ohne bewusst Auszeit vom Job zu machen, geht sicher nichts. (Karin Bauer, 10.7.2022)