Ist Bargeld ein Auslaufmodell? In Österreich erfolgen etwa zwei Drittel aller Bezahlvorgänge immer noch in bar, der Anteil sinkt aber.

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Der europaweite Schub bei der Nutzung elektronischer Zahlungsmittel während der Corona-Pandemie war keine Ausnahme. Vielmehr wird sich dieser Trend fortsetzen, wie aus einer gemeinsamen Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und des Beratungsunternehmens Zeb hervorgeht. Bis 230 werde die Nutzung elektronischer Bezahlmethoden jedes Jahr um etwa sechs Prozent zunehmen, erwartet Studienautor und Zeb-Partner Erwin Meichenitsch.

In Österreich stieg die Anzahl elektronischer Bezahlvorgänge im Corona-Jahr 2020 um acht Prozent – und überkompensierte damit den damals starken Einbruch des Wirtschaftswachstums. Im Gegenzug brach die Bargeldnutzung stark ein. Dennoch werden hierzulande noch immer zwei von drei Bezahlvorgängen mit Bargeld getätigt.

Viele Bankomaten

Die Anzahl der Bankomaten in Österreich ist im EU-Vergleich hoch. Mit 9115 Geräten per Ende des ersten Quartals liegt sie jedoch 50 Automaten unter dem Rekordstand des Vorquartals. Allerdings ist die Anzahl der Behebungen laut OeNB stark rückläufig: Seit dem Vorkrisenjahr 2019 sank sie um fast 28 Prozent auf 209,6 Millionen Behebungen im Vorjahr. "Natürlich geht die Bargeldnutzung zurück und damit auch der Bedarf an Versorgung", sagt Meichenitsch. Er betont auch, dass die Nutzung von Münzen und Geldscheinen schlichtweg teuerer sei – und langsamer, was im stationären Handel von Bedeutung ist.

Der Supermarktkette Spar zufolge dauert ein Bezahlvorgang mit Barem im Mittel 22 bis 24 Sekunden – eine Ewigkeit, verglichen mit der raschesten Methode, dem kontaktlosen Zahlen mit Karte ohne Codeeingabe, was weniger als zehn Sekunden dauert. Das ergibt einen enormen Zeitunterschied bei gut einer Million Bezahlvorgängen, die bei Spar pro Tag getätigt werden. Dennoch gibt es bei vielen Filialen einen Bankomat im Eingangsbereich.

Geringverdiener und Ältere

Zudem bemühe sich die Nationalbank gemeinsam mit den Geldinstituten, die Versorgung mit Bankomaten zu gewährleisten, sagt OeNB-Expertin Petia Niederländer. Am häufigsten werde Bares von Niedrigverdienern genutzt, die damit ihre Ausgaben besser steuern könnten, und von älteren Menschen. Als Gründe für Bargeldnutzung werden Niederländer zufolge am häufigsten Sicherheit und die Privatsphäre genannt.

Während Banken bei elektronischen Transaktionen je nach Land zwischen 70 bis 95 Prozent der Provisionen erhalten, will man etwa bei Google Pay kein Geld, sondern die Transaktionsdaten. Bei VKI-Konsumentenschützer Bernd Lausecker schrillen angesichts der Datensammelei die Alarmglocken: "Da ist die Sensibilität der Verbraucher noch nicht da, weil es derzeit nicht missbraucht wird." Auch abgesehen von der Anonymität bricht er eine Lanze für den Erhalt von Bargeld, da es ältere Personen noch benötigten.

Zudem erinnert er daran, dass bei Barzahlungen zwangsläufig lokal gekauft werde – was ja erwünscht sei. Er sieht die Regulierungsbehörden FMA und OeNB und die Politik in der Pflicht, die Grundversorgung mit Barem auch in ländlichen Regionen sicherzustellen. Die von der EU-Kommission geplante Obergrenze von 10.000 Euro für Barzahlungen hält er für ein falsches Signal. (Alexander Hahn, 12.7.2022)