Durch die Lockdowns im ersten Corona-Jahr sind Österreichs Emissionen vorübergehend gesunken. Nun befinden sie sich beinahe wieder auf Vorkrisenniveau.

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Es war nur ein kurzer Dämpfer, den das erste Corona-Jahr in Österreichs Emissionsbilanz hinterlassen hat. Nach dem pandemiebedingten Einbruch 2020 wurde im Vorjahr wieder deutlich mehr emittiert: Laut Berechnungen des Wegener Center der Uni Graz sind die Emissionen um 6,5 Prozent gestiegen – und befinden sich damit auf dem gleichen Niveau wie 1990. Im Jahr 2020 waren sie um 7,5 Prozent eingebrochen.

Der Rückgang 2020 sei ein "Einmal-Ausreißer" gewesen, erklärt Klimaforscher Gottfried Kirchengast vom Wegener Center. Die starke Einsparung sei primär an den Lockdown-bedingten Rückgängen im Verkehrssektor und in der Industrieproduktion festzumachen. Die nunmehrigen Zuwächse gehen auf eine Steigerung beim Verkehr und bei Grundstoffen – etwa Kohle in der Stahlproduktion – und einen gestiegenen Gasverbrauch in Haushalten und der Industrie zurück.

Österreich hinkt hinterher

Eigentlich sollte die Emissionskurve längst nach unten deuten, zeigt sich Kirchengast besorgt: Die Europäische Union konnte im Vergleich zu Österreich ihre Emissionen seit 1990 im Schnitt um rund 25 Prozent senken. Einzelne Länder brachten gar ein Minus von mehr als 30 Prozent zustande. In Österreich hingegen sei der strukturelle Trend bei den Emissionen weiterhin nicht gebrochen, kritisiert der Wissenschafter. Diese Entwicklung führt er auf "schwerwiegende strategische Fehler" in Österreichs Klimapolitik im vergangenen Jahrzehnt zurück, in dem Vorschläge aus der Klimaforschung systematisch ignoriert wurden. "Die Kosten des bisherigen Nichthandelns wider besseres Wissen sind jetzt ganz, ganz schmerzlich spürbar."

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Die Fakten würden längst auf dem Tisch liegen, sagt Kirchengast: "Wenn die Klimapolitik der 2010er-Jahre auf den Prüfstand käme, könnten wir die Verfehlungen nachweisen." Er kritisiert auch, dass die Regierung es seit mehr als eineinhalb Jahren nicht schafft, ein Klimaschutzgesetz samt verbindlichem maximalem Emissionsbudget bis 2030 und 2040 und Reduktionspfaden zu verabschieden. "Dass das wieder nicht vor der Sommerpause gelungen ist, ist ein klimapolitischer Skandal in Verantwortung der gesamten Bundesregierung".

Österreichs Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, rückt zunehmend in die Ferne: Bis zum Jahr 2030 etwa sollte der nationale Ausstoß auf rund 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sinken, zum Vergleich: Im Vorjahr wurden 78,4 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Dennoch sei die Netto-Null noch erreichbar, erklärt Kirchengast. Dafür sei eine jährliche Emissionsreduktion von 4,5 Millionen Tonnen bis 2030 und anschließend von 3,4 Millionen Tonnen bis 2040 notwendig. "Klimaneutralität 2040 wird jedenfalls nicht an der EU scheitern, sondern wenn, dann an den strategischen politischen und wirtschaftlichen Fehlern in Österreich."

Temporeduktion bringt viel

Wie es gelingen kann? Allein durch eine flächendeckende Temporeduktion von 130 auf 100 bei Autobahnen und von 100 auf 80 bei Landstraßen könnten laut dem Experten jährlich rund vier Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Angesichts der momentanen Energiekrise hält Kirchengast ein Tempolimit über den Verordnungsweg – wie beim Luftschutz-100er – für sinnvoll. Großes Einsparungspotenzial sieht er auch im Bereich der Wärmenutzung. Nicht zuletzt seien auch Betriebe und Privatpersonen gefragt, sagt der Forscher. Die Zielrichtung sei: "Verbrauche die Hälfte." Gerade in der momentanen Krisensituation möchte die Bevölkerung mitwirken und Teil der Lösung sein, sagt Kirchengast.

Obwohl die Emissionen 2021 im Vergleich zu 2020 wieder angestiegen sind, "haben wir im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie einen Rückgang erreicht", kommentierte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler die Ergebnisse. Es sei "völlig klar", dass "noch mehr kommen muss". Von jetzt an müssten die Emissionen Jahr für Jahr sinken. (Nora Laufer, 8.7.2022)