Vor ein paar Monaten wurde Polaschek vorgeworfen, er "lähme mit unzähligen Vorgaben und Projekten" den Schulbetrieb. Nun will er die administrativen Aufgaben bei Lehrern abbauen.

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Eine Atempause scheint dem Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) angesichts der anstehenden Themen im Sommer nicht vergönnt: Corona, Lehrkräftemangel, Lehramtsausbildung. Viele Baustellen waren absehbar, manche wurden durch die fortgesetzte Pandemie verschärft. Unbeirrt davon will Polaschek zahlreiche Evaluierungen abwarten – und auch, was die nächste Corona-Welle an Maßnahmen mit sich bringt.

STANDARD: Am Freitag wurde bekannt, dass das Schulstartpaket für Kinder von Mindestsicherungsbeziehern von 100 auf 80 Euro gekürzt wird. Warum macht die Regierung das in Zeiten der Teuerung?

Polaschek: Ich würde Sie aufgrund der Zuständigkeit bitten, das den Sozialminister zu fragen. Ich bin mir sicher, dass es eine gute Begründung dafür gibt.

STANDARD: Sie wollen die Schulleitungen erst Ende August informieren, welche Corona-Maßnahmen eine Woche später gelten. Ist nicht ohnehin klar, dass die Tests wiederkommen?

Polaschek: Nein, das ist nicht klar. Kein Experte und keine Expertin kann sagen, was im Herbst auf uns zukommt. Aktuell arbeiten wir an einer Corona-Gesamtstrategie mit verschiedenen Szenarien, ein Teil davon ist die Schule. Dieser strategische Fahrplan wird in den nächsten Wochen veröffentlicht. Aber die Entscheidung, welchen Weg wir bei den Corona-Maßnahmen in der Schule gehen, treffen wir möglichst zeitnah zum Schulstart – um auf die pandemische Lage besser eingehen zu können.

STANDARD: Unter keinen Umständen erfahren die Schulen früher etwas?

Polaschek: Es wäre unseriös, vorher ein Szenario festzulegen, weil niemand sagen kann, wie sich die Pandemie entwickelt. Deshalb warten wir bis eine Woche vor Schulbeginn.

STANDARD: Quereinsteiger können nun leichter Lehrer werden. Wieso sollte man sich überhaupt noch ein Lehramtsstudium antun?

Ende Juni stellten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bildungsminister Martin Polaschek die Erleichterungen für Quereinsteiger vor. Mit etwa 300 bis 500 Lehrerinnen pro Jahr via Quereinstieg rechnet der Bildungsminister.
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Polaschek: Quereinstieg kann immer nur eine Ergänzung sein. Es steht völlig außer Streit, dass das Lehramtsstudium der Kernbereich der Lehrerausbildung ist. Vereinzelt gibt es jedoch Menschen, die aus persönlichem Interesse an die Schulen gehen möchten – und das ohne Lehramtsstudium. Diesen möchten wir die Möglichkeit geben. Das wird aber immer nur die Ausnahme sein und nicht die Regel.

STANDARD: Wie soll sich das "Lehrerbild der Zukunft", von dem Sie gern sprechen, vom jetzigen unterscheiden?

Polaschek: Es geht darum, der Gesellschaft zu zeigen, dass dieser Beruf ein verantwortungsvoller und schöner Beruf ist. Dass es eine tolle Aufgabe ist, junge Menschen auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten. Leider ist der Beruf immer noch klischeehaft negativ konnotiert.

STANDARD: Das eine ist die Außenwahrnehmung. Wie können Sie mit Blick auf den Lehrermangel den Beruf attraktiver gestalten?

Polaschek: Wir wollen die Rahmenbedingungen weiter verbessern. Mit den Universitäten schauen wir uns an, ob es Veränderungen im Curriculum braucht. Viele Lehrkräfte äußern auch den Wunsch nach größerer Entlastung. Hier habe ich bereits die Anweisung gegeben, alle Beitragspflichten, die nicht notwendig sind, zurückzunehmen. Wir arbeiten intensiv daran, Lehrern vermehrt administratives Personal zur Seite zu stellen und mehr Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen in die Schulen zu holen. Aber natürlich stellt sich die Frage, ob wir darüber hinaus noch weitere Maßnahmen brauchen.

STANDARD: Attraktiver soll auch die Lehre werden. Allerdings verfügen die Berufsschulen laut einer Studie des Momentum-Instituts über weniger Mittel als noch vor ein paar Jahren.

Polaschek: Die Lehre selbst liegt in der Kompetenz des Arbeitsministers. Und bei der Ausbildung der Berufsschüler hat sich bereits einiges getan. Uns ist die Berufsschule natürlich wichtig. Wenn hier konkret Bedarf geäußert wird, schauen wir uns gern an, ob wir was beitragen können.

STANDARD: Die Deutschförderklassen stoßen seit ihrer Einführung auf Kritik. Laut einer Studie sind die meisten der Lehrkräfte nicht überzeugt von dem, was sie dort unterrichten müssen. Direktionen richten diese Klassen nicht ein und brechen so absichtlich das Gesetz. Warum liegt der ÖVP so viel an diesen Klassen, die sonst keiner will?

Polaschek: Dass es keiner will, kann ich so nicht stehenlassen. Es gibt sehr wohl viele Schulen, wo sie ganz bewusst eingesetzt werden. Bemerkenswerterweise wurden in Wien sehr viele neue Klassen für ukrainische Kinder eingerichtet, die heißen nur anders. Und da werden sie durchaus mit Erfolg angewendet.

STANDARD: Das lag aber auch daran, dass die Regelklassen schon voll waren. Außerdem stehen in den "Neu in Wien"-Klassen zwei Lehrpersonen.

Polaschek: Hier wurden zwei Lehrkräfte eingesetzt, weil die Kinder völlig neu in Österreich sind und noch nicht Fuß gefasst haben. Bei den anderen Deutschförderklassen sind es oft Kinder, die in Österreich geboren sind und punktuell eine Sprachförderung brauchen. Allerdings würde es der Stadt Wien freistehen, für ergänzendes Personal zu sorgen. Generell werden wir uns aber überlegen, ob die Klassen flächendeckend in dieser Form weiterhin bestehen sollen oder ob wir daran etwas ändern müssen. Hier läuft gerade die Evaluierung. Ende 2022 entscheiden wir dann, ob es mehr Schulautonomie braucht.

STANDARD: Eine Möglichkeit, der Bildungsungleichheit entgegenzuwirken, wäre die Gesamtschule. Vorarlberg hat sie als Modellregion geplant – sogar die Vorarlberger Volkspartei befürwortet sie. Spricht etwas gegen den Versuch?

Polaschek: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen liegen schon lange vor. Vor anderthalb Wochen war ich in Bregenz. Mir gegenüber wurde aber keine Bitte geäußert, dass sie von uns weitere Unterstützung haben möchten. Aber es steht dem Land Vorarlberg frei, sie einzuführen.

STANDARD: Am Freitag fanden die Aufnahmeprüfungen für das Medizinstudium statt, 16.000 Personen haben sich beworben. Es gibt aber nur 1850 Ausbildungsplätze. Sollen die Plätze mit Blick auf den Ärztemangel ausgebaut werden?

Polaschek: Wir haben genügend Absolventinnen. Die Frage ist nicht, ob wir mehr brauchen, sondern wie es besser gelingt, sie im Berufsfeld zu halten. Es ist ein Trugschluss, dass Menschen, die ein Studium beginnen, auch Ärztinnen werden. (Elisa Tomaselli, 8.7.2022)