Kevin Magnussen muckt mit Haas heuer auf.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Kevin Magnussen wirkt entspannt. Und er hat allen Grund dazu. In Großbritannien punktete er als Zehnter, in Österreich als Achter, am Sonntag steigt in Le Castellet der GP von Frankreich (15 Uhr, Servus TV). Wer Anfang des Jahres nicht einmal wusste, heuer in der Formel 1 fahren zu dürfen, der weiß dieses Privileg umso mehr zu schätzen.

Ende 2020 hatte der Däne sein Cockpit verloren, sein Team Haas setzte fortan lieber auf das Duo Mick Schumacher und Nikita Masepin. Der eine namhaft, der andere reich. Magnussen blieb 2021 daher nur die Zuschauerrolle in der Formel 1. Was für viele ein Nackenschlag wäre, sieht der 29-Jährige anders: "2021 war ein tolles Jahr für mich."

Tochter, Heimat und Langstrecke

Erst kam Tochter Laura zur Welt. Und weil er ja nicht mehr gefühlt jedes zweite Wochenende in der Königsklasse beschäftigt war, konnte er ihr erstes Lebensjahr voll auskosten. Magnussen zog mit seiner Familie zurück in die Heimat. Sportlich tobte er sich bei Langstreckenrennen aus, absolvierte unter anderem die 24 Stunden von Le Mans in der LMP2-Klasse mit seinem Vater Jan, selbst 25-facher F1-Fahrer in den 1990ern.

"Das Jahr hat mir bestätigt, dass ein Leben abseits der Formel 1 auch toll sein kann", sagt Magnussen dem STANDARD. Ihm sei bewusst, dass das für Normalsterbliche schräg klingen mag. Wenn nur eines der 20 Cockpits glücklich machen könnte, hätten 7,95 Milliarden Menschen minus 20 ein Problem. Aber wer jahrelang in einer Blase lebt, "ist mental so stark darin verankert, dass die Welt außerhalb davon ängstigen kann".

Überraschendes Comeback

Im Februar startete Russland dann den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Haas reagierte und entließ den Russen Masepin. Magnussen las davon, dachte aber null an ein Comeback. "Ich sah keine Chance darauf." Dementsprechend verblüfft nahm er wenig später den Anruf von Haas-Teamchef Günther Steiner entgegen. Eine Woche danach war der Däne beim Saisonstart in Bahrain dabei – und wurde prompt Fünfter. Bei einem im vergangenen Jahr punktelosen Team.

Der Saisonstart sorgte also für reichlich Entspannung. Natürlich, Druck ist immer da. "Junge Fahrer wären bereit, jederzeit einzuspringen", sagt er. Aber seit dem Jahr Auszeit habe er "weniger Angst davor". Das sei 2015 anders gewesen, als er nach Fernando Alonsos Verpflichtung von McLaren zum Testpiloten degradiert wurde. "Damals überwog die Traurigkeit. Es war kein gutes Jahr."

Mentor oder Rivale?

Mittlerweile ist er erfahrener. Je größer die Routine, desto präziser das eigene Bauchgefühl. Haas sieht den Dänen als Teamleader, davon soll der 23-jährige Schumacher in seiner zweiten Saison profitieren. Und wie sieht das Magnussen? "Mick hat natürlich eine steilere Lernkurve." Er habe im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit bei Haas aber "keine neue Job-Description von Günther bekommen".

Die Haas-Piloten Mick Schumacher und Kevin Magnussen.
Foto: IMAGO/Motorsport Images/Andy Hone

Der in Roskilde Geborene schrieb bisher fünfmal an und hält bei 22 Punkten. Schumacher konnte nach einem schwierigen Saisonstart zuletzt ebenfalls doppelt punkten und kommt auf zwölf Zähler. Im Qualifying-Duell steht’s 8:2. Was trifft nun eher zu: Mentor oder Rivale?

Magnussen sieht es gelassen. "Jeder Fahrer hat ein Ego und Träume. Aber je mehr du als Team zusammenarbeitest, desto mehr profitierst du als Fahrer davon." Nachsatz: Es sähe wahrscheinlich anders aus, "wenn wir um den WM-Titel kämpfen würden". Der Däne verweist auf verbissene frühere Stallduelle, etwa zwischen Alain Prost und Ayrton Senna oder Lewis Hamilton und Nico Rosberg.

Schritt vorwärts

Mit Haas wird es so schnell wohl nicht um den Titel gehen, aber das US-Team hat die Regelreformen dazu genutzt, um wieder ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen.Magnussen sieht "eine gute Ausgangslage. Macht jedes Team einen Schritt vorwärts, setzt sich niemand ab. Du musst schneller vorankommen als deine Gegner." Der Däne zeigt sich zuversichtlich, dass dies gelingt, und ist dementsprechend entspannt.

Einmal war das aber doch nicht der Fall. Nachdem er zu Saisonbeginn so kurzfristig eingesprungen war, hatte er Trainingsrückstand. Den spürte er vor allem im Nacken. "Wenn er während des Rennens schwächer wird, wird es schwer, das Auto zu lenken", sagt er. Also doch noch ein Nackenschlag. (Andreas Gstaltmeyr, 23.7. 2022)

WM-Stand (nach 11 von 22 Rennen):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull 208
2. Charles Leclerc (MON) Ferrari 170
3. Sergio Perez (MEX) Red Bull 151
4. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 133
5. George Russell (GBR) Mercedes 128
6. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 109
7. Lando Norris (GBR) McLaren 64
8. Esteban Ocon (FRA) Alpine 52
9. Valtteri Bottas (FIN) Alfa Romeo 46
10. Fernando Alonso (ESP) Alpine 29
11. Kevin Magnussen (DEN) Haas 22
12. Daniel Ricciardo (AUS) McLaren 17
13. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri 16
14. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin 15
15. Mick Schumacher (GER) Haas 12
16. Yuki Tsunoda (JPN) AlphaTauri 11
17. Guanyu Zhou (CHN) Alfa Romeo 5
18. Alexander Albon (THA) Williams 3
19. Lance Stroll (CAN) Aston Martin 3

Stand Konstrukteurs-WM:

1. Red Bull 359
2. Ferrari 303
3. Mercedes 237
4. McLaren 81
5. Alpine 81
6. Alfa Romeo 51
7. Haas 34
8. AlphaTauri 27
9. Aston Martin 18
10. Williams 3

Nächstes Rennen: Grand Prix von Frankreich am 24. Juli auf dem Circuit Paul Ricard in Le Castellet